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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Lüge, als würde man behaupten, ein Keuschheitsgelübde und ein Nonnenschleier seien bloß Worte und ein Fetzen schwarzen Stoffs. Klar, es ist bloß ein Symbol, aber es versetzt einen doch in ein völlig anderes moralisches Universum. Ich glaube, ich habe soeben eine Art Erleuchtung.«
    »Nein, Oscar. Ich glaube, du hast eine Art Anfall.«
    »Das funktioniert. Das ist riesig. Wir denken in viel zu beschränkten Bahnen. Wir müssen aus dem Gefängnis ausbrechen. Wir müssen den Krieg in die Reihen des Gegners tragen. Hör mal. Ich muss nach Louisiana reisen.«
    »Was? Warum?«
    »Wir reisen zusammen. Gemeinsam sind wir unschlagbar. Louisiana ist genau das Richtige für uns. Wir werden einen Triumphzug durch den Staat veranstalten. Wir drängen Huey und die Regulatoren total in die Defensive. Wir reisen mit einer Flotte von Limousinen, einhergehend mit einem Maximum an Medienresonanz. Wir mieten Wahlkampfbusse, wir veranstalten eine Wahlkampftour. Wir besorgen uns ein paar ordentliche Trucks und Hubschrauber. Wir decken den ganzen Bundesstaat ab. Es wird unheimlich romantisch werden. Du wirst dich in einen sexy Wissenschaftspopstar verwandeln. Wir fertigen Pin-ups von dir an, T-Shirts, Aufkleber, wir bringen dein Parfüm auf den Markt und deine Dessous. Überall, wo wir hinkommen, gründen wir kleine Forschungslabors. Von Bambakias habe ich erstaunliche Baupläne bekommen, die wir unmittelbar umsetzen können. Wir veranstalten einen Volksmarsch durch Baton Rouge. Wir besetzen das Parlamentsgebäude. Wir wagen uns in die Höhle des Löwen. Wir nageln Huey fest und versetzen ihm den Todesstoß.«
    »Oscar, du hast wirklich einen Anfall. Du plapperst dummes Zeug.«
    »Ach. Tatsächlich?«
    »Wir können nicht nach Louisiana fahren. Das ist zu gefährlich. Wir können das Labor im Moment nicht verlassen. Hier herrscht Notstand. Die Menschen haben Angst, tagtäglich werden es weniger.«
    »Hol mehr Leute her.«
    »Wir können so viele Moderatoren herholen, wie wir wollen, aber es ist kein Platz für sie.«
    »Dann erweitere das Labor. Besetze Buna.«
    »Oscar, du machst mir Angst, wenn du so bist.«
    Er senkte die Stimme. »Tatsächlich?«
    »Ein bisschen schon.« Ihr Gesicht war trotz der Kriegsbemalung gerötet.
    Er hatte Herzklopfen. Er atmete mehrmals tief durch. Er hatte den Zustand der Raserei hinter sich gelassen. Er fand sein Gleichgewicht allmählich wieder; er schwebte auf einer höheren Ebene; er befand sich im Zustand der Verzückung. »Schatz, ich werde mich auf eine Geheimmission begeben. Ich glaube, sie ist von entscheidender Bedeutung, aber es könnte sein, dass ich nicht zurückkehre. Das ist vielleicht das letzte Mal, dass wir miteinander allein sind. Ich weiß, ich habe dich beunruhigt. Ich weiß, ich bin nicht all deinen Erwartungen gerecht geworden. Vielleicht sehe ich dich nie wieder, aber ich verlasse dich erfüllten und frohen Herzens. Ich werde nie vergessen, wie du jetzt aussiehst. Du bist etwas so Besonderes und bedeutest mir so viel, dass ich es gar nicht in Worte kleiden kann. Du bist ein solch brillantes, strahlendes Wesen.«
    Sie fasste sich an die Stirn. »O mein Gott. Ich weiß einfach nicht, was ich mit dir anfangen soll, wenn du so bist… Du bist so überzeugend ! Also schön, nichts für ungut, komm mit und zieh dich aus. Auf dem Labortisch haben wir jede Menge Platz.«

11
     
    Nach eingehender Erörterung ihrer Optionen beschlossen Oscar und Captain Scubbly Bee, Louisiana heimlich und incognito zu infiltrieren. Dem Notstandsausschuss tischte Kevin die dreiste Lüge auf, er begebe sich auf eine Rekrutierungsfahrt. Oscar selbst würde Buna offiziell nicht verlassen. Er wurde von einem Double ersetzt, einem Moderatorenfreiwilligen, der sich bereit erklärte, Oscars Kleidung zu tragen, viel Zeit in einem stinkvornehmen Hotelzimmer zu verbringen und so zu tun, als arbeite er am Laptop.
    Ihre kleine Verschwörung entwickelte rasch Eigendynamik. Um nicht entdeckt zu werden, beschlossen sie, mit zwei Ultraleichtflugzeugen nach Louisiana zu fliegen. Diese lautlosen und unauffälligen Fluggeräte waren langsam, unberechenbar, gefährlich, unbequem und ermüdend, da sie jeglichen Komfort vermissen ließen. Dafür waren sie mehr oder weniger unauffindbar und immun gegen Straßenblockaden und Wegelagerei. Da sie von chinesischen GPS-Satelliten ferngelenkt wurden, würden die Fluggeräte mit unfehlbarer Genauigkeit unmittelbar vor Fontenots Schwelle landen – früher oder später.
    Als nächstes

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