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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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ihnen in den Kopf geflogen – die nennen das den ›Geist der Wiedergeburt‹ oder den ›Geist der Neugeburt‹.« Fontenot nahm den Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Als ich zum ersten Mal hier war, bin ich fast einen Tag lang geblieben und hab mich mit diesem alten Burschen unterhalten – Papa Christophe, so heißt der. Sozusagen ihr Anführer oder jedenfalls ihr Sprecher. Dieser Typ ist eine hiesige Autorität und wirklich ein seltsamer Kauz, keine Ahnung, was er hat. Der Geist hat nämlich nicht alle gleich erfasst. Die Kinder sind davon verschont geblieben. Die sind völlig normal. Die meisten Erwachsenen murmeln einfach bloß vor sich hin und haben so ein Funkeln in den Augen. Aber da gibt’s noch diese Verkünder, wie zum Beispiel Christophe. Die Priester. Die Weisen.«
    Oscar und Kevin berieten sich kurz. Auf Kevin hatte Fontenots Bericht großen Eindruck gemacht. Es gefiel ihm nicht, mitten in einem undurchdringlichen Sumpf von illegal eingewanderten Schwarzen umgeben zu sein. Visionen von brodelnden Kannibalentöpfen schwirrten ihm durch den Kopf. Anglos… die wurden das Gefühl, einer Minderheit anzugehören, nie ganz los.
    Oscar jedoch blieb unnachgiebig. Nachdem sie schon einmal so weit gekommen waren, konnte ihn nichts mehr davon abhalten, mit Papa Christophe zu sprechen. Fontenot spürte den Mann schließlich auf; er arbeitete gerade in einem weiß getünchten Blockhaus am Dorfrand.
    Papa Christophe war ein älterer Mann mit einer Schädelnarbe, die von einer Machete stammte. Seine faltige Haut und seine gebeugte Haltung deuteten darauf hin, dass er ein Leben lang an Vitaminmangel gelitten hatte. Er sah aus wie hundert, obwohl er wahrscheinlich erst sechzig war.
    Papa Christophe schenkte ihnen ein zahnloses Lächeln. Er saß auf einem dreibeinigen Schemel, vor sich einen Holzschlegel, einen Meißel aus Roheisen und eine unfertige Holzstatue. Mit energischen Schlägen schälte er Späne braunen Zypressenholzes davon ab. Die Statue stellte eine Heilige oder eine Märtyrerin dar, eine schlanke, modiglianische Frau mit heiterem, stilisiertem Gesicht, die Hände im Gebet gefaltet. An ihren Beinen züngelten Flammen empor.
    Oscar zeigte sich sogleich beeindruckt. »Hey! Primitive Kunst! Der Bursche ist richtig gut! Ob er mir die wohl verkauft?«
    »Heben Sie sich das für später auf«, murmelte Kevin. »Lassen Sie die Brieftasche stecken.«
    In der Hütte war es warm und feucht, da sich ein selbstgebauter Destillierapparat darin befand. Eine solche Anlage war wahrscheinlich nicht von vorneherein geplant gewesen, doch die Haitianer waren erfinderisch und hatten ihren eigenen Kopf. Die Destille war aus Einzelteilen geborgener Autowracks zusammengebaut. Dem Geruch nach zu schließen wurde darin Melasse zu kopfzersprengendem Rum gebrannt. Die Wandborde waren mit weggeworfenen Glasflaschen vollgestellt, die man aus dem Bayou gefischt hatte. Die Hälfte der Flaschen waren mit gelbem Alkohol gefüllt und mit lehmgetränktem Tuch verschlossen.
    Fontenot und der alte Mann radebrechten auf französisch, denn ihre Dialekte unterschieden sich stark. Genährt von den Zypressenspänen, brodelte die Destille vor sich hin. Rum tröpfelte aus einem gebogenen Eisenrohr in die Glasflasche, tickend wie eine Wasseruhr. Papa Christophe machte einen recht umgänglichen Eindruck. Er plauderte, klopfte auf den Meißel und murmelte dabei vor sich hin, alles im gleichen, gleichmäßigen Wasseruhrrhythmus.
    »Ich habe mich nach der Statue erkundigt«, erklärte Fontenot. »Er meint, die sei für die Kirche. Er schnitzt Heilige für den Herrn, denn der Herr ist stets mit ihm.«
    »Selbst in der Destille?«
    »Wein ist ein Sakrament«, erwiderte Fontenot steif. Papa Christophe hob einen spitzen, verkohlten Stock auf, betrachtete seine Holzheilige und malte ein bisschen an ihr herum. Auf einem gefetteten Ledertuch hatte er allerlei Schnitzwerkzeuge ausgebreitet: eine Ahle, eine selbstgemachte Säge, einen Schaber, einen Handbohrer. Es waren primitive Gerätschaften, doch der alte Mann wusste offenbar, was er tat.
    Die neugierigen Kinderhorden waren draußen geblieben, doch einer der Kleineren nahm seinen Mut zusammen und spähte in die Hütte. Papa Christophe schaute hoch, grinste zahnlos und machte eine ernste Bemerkung auf kreolisch. Der Junge kam herein und hockte sich brav auf den Erdboden.
    »Was hat er gesagt?« fragte Oscar.
    »Ich glaube, er sagte: ›Der Affe hat ihre Kinder aufgezogen, bevor es Avocados

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