Brennendes Land
Kirschen essen.
Nomadenprolos gediehen nicht in dicht besiedelten Gebieten wie Massachusetts, wo sie mittels Videoüberwachung und den Suchmaschinen der Polizei relativ leicht auszumachen und unter Kontrolle zu halten waren. Green Huey aber war nicht aus Massachusetts. Die dort geltenden Verhaltensregeln waren ihm vollkommen gleichgültig. Die ökologisch vergifteten Gebiete Louisianas waren für die Prolos ideal. Die Sperrgebiete dienten auch als Reservate, denn sie kamen mit chemischen Giften leichter zurecht als mit der Anwesenheit von Menschen. Nach jahrzehntelangem subtropischem Wachstum waren die vergifteten Gebiete Louisianas ebenso undurchdringlich wie Sherwood Forest, der Wald, der einmal Robin Hood als Versteck gedient hatte.
Hueys Lieblingsprolos stammten aus Louisiana und waren auf Grund des gestiegenen Meeresspiegels und der durch Hurrikans und vom unberechenbaren Mississippi hervorgerufenen Überschwemmungen heimatlos geworden. In den Tiefen des ruinierten Landes hatten sie eine ganz andere Ordnung herausgebildet als die verstreuten Dissidenten der Ostküste. Die Louisianer bildeten eine mächtige, ehrgeizige, florierende Gegengesellschaft, mit eigener Kleidung, eigenen Gebräuchen, eigener Polizei, eigener Wirtschaft und eigenen Medien. Aus diesem Grund hatten sie sich zum Herren über die weniger gut organisierten Dissidenten, Wanderarbeiter und Angehörigen der Freizeitgewerkschaften aufgeschwungen. Man nannte sie die Regulatoren.
Der Dschungelkrieg in den Sümpfen Louisianas begünstigte Hueys Regulatorenhorden wie der Guerillakrieg die Maoisten der Vergangenheit. Jetzt hatte Huey einen Netzkrieg entfesselt, und in dessen Folge brach eine gedämpfte Hölle über den Luftwaffenstützpunkt herein.
Das traurige am amerikanischen politischen Disput war, dass die europäischen Medien am eingehendsten und exaktesten darüber berichteten. Oscar machte einen europäischen Satellitenkanal ausfindig, der eine Pressekonferenz aus Louisiana übertrug, veranstaltet von einer Fanatiker in namens Ooney Bebbels, die sich als ›stellvertretende Befehlshaberin des Regulatorenkommandos‹ bezeichnete.
Die Guerillaanführerin trug eine schwarze Skimaske, verdreckte Jeans und einen weiten Pullover. Sie stolzierte vor den lauschenden Journalisten auf und ab und schwang ein gefiedertes schwarzes Offiziersstöckchen und eine Fernsteuerung. Die Propagandaveranstaltung fand in einem großen aufblasbaren Zelt statt.
»Werfen Sie einen Blick auf das Display. Haben Sie schon alle eine Kopie des Dokuments vorliegen? Bruder Lump-Lump, beam den French-Boys da hinten noch ein paar Regierungsakten rüber! Okay! Ladies und Gentlemen, dieses Dokument ist eine amtliche Liste der amerikanischen Luftwaffenstützpunkte. Sie können sich die Budgetzahlen auch selbst vom Ausschussserver runterladen, wenn Sie mir nicht glauben. Schauen Sie sich die offiziellen Zahlen an. Die fragliche Basis existiert nicht einmal.«
»Aber, Ma’am«, wandte ein Journalist ein, »wir sehen den Stützpunkt doch über Livekamera.«
»Dann sollten Sie wissen, dass es sich um herrenloses Gebiet handelt. Niemand ist dafür zuständig, es gibt keinen Treibstoff, kein fließendes Wasser, keine Nahrungsmittel. Das ist kein Luftwaffenstützpunkt mehr. Sehen Sie hier irgendwelche Flugzeuge rumfliegen? Das einzige, was hier fliegt, sind Ihre Helikopter. Und unsere harmlosen Ultraleichtflugzeuge. Sie sollten also alle Fehlinformationen über eine so genannte bewaffnete Belagerung ad acta legen. Das ist pure Desinformation. Wir sind unbewaffnet. Wir brauchen bloß Unterkünfte. Wir sind Heimatlose, die für den Winter ein Dach über dem Kopf brauchen. Dieses große, herrenlose Gebiet hinter dem Stacheldraht ist ideal für uns. Deshalb warten wir hier vor den Toren, bis man unsere Menschenrechte achtet.«
»Wie viele Kämpfer haben Sie in die Schlacht geschickt, Ma’am?«
»Keine ›Kämpfer‹, das sind bloß Personen. Bislang neunzehntausenddreihundertundzwölf. Wir sind optimistisch. Unsere Moral ist ausgezeichnet. Wir erhalten von überall her Zulauf.«
Ein britischer Journalist erhielt das Wort. »Es wurde berichtet, Sie hätten illegale elektromagnetische Impulskanonen in Ihren Guerillalagern.«
Die stellvertretende Kommandantin schüttelte ungeduldig den von der Skimaske bedeckten Kopf. »Hören Sie, Impulswaffen können wir nicht ausstehen, die legen unsere Laptops lahm. Wir verurteilen Impulsangriffe. Eventuelle Impulsangriffe aus unseren Reihen
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