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Brennendes Land

Brennendes Land

Titel: Brennendes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Detektorelemente waren so klein wie Apfelsinenkerne und so robust wie Nägel, sodass man sie unbemerkt an allem befestigen konnte, was von Interesse war.
    Aufgrund der universellen Markierungen war der Inhalt des Gebäudes im Wesentlichen vor Diebstahl geschützt. Zudem erleichterten sie es, den staatlichen Besitz zu vergesellschaften. Da der Ort, der Zustand und die Herkunftsgeschichte eines jeden Gegenstands registriert waren und jederzeit abgerufen werden konnten, waren sie leicht zu finden. Zudem wurde es Schnorrern schwer gemacht, das Gemeineigentum zu entwenden oder zu missbrauchen. Wenn alles funktionierte, galt der digitale Sozialismus als billigere und praktischere Alternative zum Privateigentum.
    Diese Technik hatte allerdings eine Nebenwirkung: sie machte das Leben eines jeden Einzelnen zu einer quasi öffentlichen Angelegenheit. Auf den Gängen des Gebäudes spielten Kinder – dem Durcheinander nach zu schließen, wohnten sie sogar dort. Die Kinder waren ebenfalls markiert und mit Mikrofonen ausgestattet, und sie waren umgeben von einem Durcheinander farbcodierter Spielzeuge, deren Position registriert war.
    Oscar bahnte sich einen Weg durch eine Ansammlung von Dreirädern und aufblasbaren Tieren hindurch, dann fuhr er mit einem vollgestopften Aufzug in den zweiten Stock hoch. Hier roch es stark nach indischen Gerichten – nach Curry, Papadams, vielleicht auch nach Hühnermasala. Dem Geruch nach zu schließen, wurden hier auch lebende, computerüberwachte Hühner gehalten.
    Die Doppeltür des Zimmers 358 öffnete sich vertrauensvoll auf seine Berührung hin. Oscar trat in ein Künstleratelier, in einen kahlen, übelriechenden Raum, der aus verkohlten Büroeinheiten zusammengesetzt war. Die abgebrannten Büros wiesen unheimliche Hinterlassenschaften auf: ein Gitterwerk verkohlten Fußbodenbelags und die tropfenden Stalagmiten geschmolzener Kunststoffterminals. Jedenfalls hatte das Büro einen neuen Besitzer gefunden. Nun stand darin eine lange, selbstgebaute Werkbank aus verbolzten Eisenbahnschwellen, umgeben von gestapeltem Autoschrott, ausgedrückten Klebstofftuben und kurzen, dicken Metallstangen. Der Betonboden hallte unter Oscars Füßen.
    Offenbar befand er sich im falschen Raum.
    Sein Handy klingelte. »Hallo?«
    »Bist du’s wirklich?« fragte Greta.
    »Natürlich bin ich das – ganz persönlich.«
    »Nicht der Telefonsexdienst?«
    »Nein. Ich lasse meine Privatgespräche über den Sexdienst laufen. Die haben ein enormes Gesprächsaufkommen, das ist ein guter Schutz gegen Überwachung. Und sollte tatsächlich jemand die Gespräche unter die Lupe nehmen, würde man annehmen… Aber lassen wir die technischen Details. Jedenfalls können wir uns über eine unverschlüsselte Leitung gefahrlos unterhalten.«
    »Wenn du es sagst.«
    »Lass uns reden, Greta. Sag mir, wie’s dir geht. Erzähl mir alles.«
    »Bist du wohlbehalten in Washington angekommen?«
    Oscar drückte zärtlich das Stoffhandy. Es war, als hielte er ihr Ohr in seiner Hand. Auf einmal machte es ihm nichts mehr aus, dass er sich hoffnungslos verlaufen hatte und offenbar im falschen Gebäude war.
    »Mir geht’s prima. Schließlich ist das der Ort, wo ich Karriere mache.«
    »Ich mache mir Sorgen, Oscar.« Eine lange Pause. »Ich… ich könnte vielleicht später am Tag nach Boston fliegen. Dort findet ein Seminar über Hirnforschung statt. Vielleicht könnte ich mir etwas Zeit abknapsen.«
    »Wunderbar! Du solltest unbedingt nach Boston fliegen. Ich zeige dir mein Haus.« Eine lange, knisternde Pause.
    »Klingt interessant…«
    »Tu es. Das ist genau das, was wir brauchen. Es würde uns gut tun.«
    »Ich muss dir etwas Wichtiges sagen…«
    Er überprüfte rasch den Akkustand, dann drückte er sich das Handy wieder ans Ohr. »Na los, erzähl’s mir, Greta.«
    »Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll… Es ist bloß… Ich bin so durcheinander und… Ich bin so begeistert und…« Erwartungsvolle Stille.
    »Na los«, drängte er. »Red’s dir von der Seele.«
    Sie senkte die Stimme zu einem vertraulichen Geflüster. »Es geht um meine Amyloidfibrillen…«
    »Um was?«
    »Um meine Fibrillen. Es gibt zahlreiche Hirnproteine, die in vivo Amyloidfibrillen bilden. Obwohl sie ganz unterschiedliche Sequenzen bilden, polymerisieren sie doch alle in der gleichen Metastruktur. Die konformative Faltung hat mir Sorgen bereitet. Große Sorgen.«
    »Tatsächlich? Eine Schande.«
    »Aber dann habe ich mich gestern mit den

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