Brennendes Land
habe ich keine Zeit.«
»Rita Levi-Montalcini hatte sie.«
Sie machte die Augen schmal. »Was weißt du über sie?«
»Du hast mir mal erzählt, diese Frau wäre sehr wichtig für dich gewesen. Deshalb habe ich meine Rechercheure auf sie angesetzt. Jetzt bin ich über dein Vorbild Dr. Rita im Bilde. Rita war Nobelpreisträgerin, in der Hirnforschung tätig und spielte eine bedeutende Rolle in der Forschungspolitik. Dr. Rita verstand es jedoch, mit ihrer Rolle umzugehen. Sie kleidete sich täglich wie eine Mailänder Schönheit.«
»Man kommt nicht dadurch zu Forschungsergebnissen, dass man sich herausputzt.«
»Nein, aber so managt man Wissenschaft.«
»Aber das will ich nicht! Ich will überhaupt nichts managen! Ich will bloß in meinem Labor arbeiten! Kapier das endlich! Warum lässt man mich nicht mehr arbeiten? Wenn man mich nur machen lässt, bin ich wirklich gut, dann brauchte ich das alles nicht mitzumachen!«
Oscar lächelte. »Ich wette, das hat dir Spaß gemacht. Können wir uns jetzt wie Erwachsene unterhalten?«
Sie schnaubte.
»Glaub ja nicht, ich wäre frivol. Du bist frivol. Du bist eine nationale Berühmtheit. Du bist keine abgerissene frischgebackene Doktorin, die sich in ihrem hübschen Riesenreagenzglas verstecken kann. Rita Levi-Montalcini trug maßgeschneiderte Laborkittel, ließ sich das Haar frisieren und hatte richtige Schuhe an. Und so wirst du das auch machen. Entspann dich und iss deinen Kaviar.«
An der Tür wurde geläutet. Oscar tupfte sich mit einer Serviette die Lippen ab, gürtete den Hausmantel und schlüpfte in die Pantoffeln.
Donna war eingetroffen, mit haufenweise Gepäck und mehreren Koffern. In einem zweiten Taxi hatte sie zwei winterlich vermummte Bostoner Spitzenkosmetikerinnen mitgebracht. Die drei Frauen unterhielten sich gerade angeregt mit einem jungen Weißen. Oscar kannte den Mann – er kannte nicht seinen Namen, aber er kannte das Gesicht, den Gehstock und die Stützschuhe. Der Fremde war aus der Gegend.
Oscar öffnete die Tür. »Schön, dass Sie da sind. Sie können die Ausrüstung in den Ankleideraum hochtragen. Unsere Klientin kommt gleich nach.«
Donna geleitete ihre Mitarbeiterinnen nach oben, eifrig in einem spanisch-englischen Mischdialekt plappernd. Oscar sah sich nunmehr dem Mann mit dem Gehstock gegenüber. »Kann ich Ihnen vielleicht helfen, Sir?«
»Ja. Mein Name ist Kevin Hamilton. Ich verwalte den Wohnblock auf der anderen Straßenseite.«
»Ja, Mr. Hamilton?«
»Ich würde mich gern mal mit Ihnen über diese Leute unterhalten, die es auf Sie abgesehen haben.«
»Ich verstehe. Kommen Sie rein.« Oscar schloss die Tür hinter seinem Gast sorgfältig ab. »Gehen wir in mein Büro.« Er zögerte angesichts des Gehstocks und der orthopädischen Schuhe. »Aber wir können uns auch hier unten unterhalten.«
Er geleitete den humpelnden Hamilton ins Wohnzimmer. Plötzlich tauchte Greta auf, barfuss und im Bademantel.
»Also schön, wo soll ich hin?« fragte sie resigniert.
Oscar zeigte nach oben.
Hamilton hob grüßend den Gehstock.
»Hallo«, sagte Greta und stapfte die Treppe hoch.
Oscar führte Hamilton in den Medienraum und hob einen Aluminiumstuhl vom Stapel. Hamilton setzte sich mit offenkundiger Erleichterung.
»Sieht nett aus, die Kleine«, meinte er.
Oscar reagierte nicht und nahm ebenfalls Platz.
»Ich hätte Sie bestimmt nicht gestört heute Morgen«, sagte Hamilton, »aber in dieser Gegend gab es bisher keine Attentate.«
»Nein.«
»Gestern habe ich sogar eine E-mail bekommen, mit der Aufforderung, Sie umzubringen.«
»Ach! Was Sie nicht sagen.«
Hamilton kratzte sich im sandfarbenen Haar, aus dem eine Tolle und eine Art Blitzstrahl vorsprang. »Wissen Sie, wir sind uns noch nie begegnet, aber ich habe Sie häufiger hier gesehen, wie Sie kamen und gingen, mit unterschiedlichen Freundinnen. Als nun in dieser Junkmail behauptet wurde, Sie wären ein Kinderschänder, da wusste ich gleich, dass das nicht stimmt.«
»Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Oscar. »Bitte fahren Sie fort.«
»Also, ich habe ein paar Nachforschungen angestellt, den Relayserver in Finnland ausfindig gemacht, ihn geknackt und die Spur bis in die Türkei zurückverfolgt… Ich war gerade dabei, die türkischen Aktivitätsfiles runterzuladen, als ich Schüsse auf der Straße hörte. Natürlich überprüfte ich die Videoaufzeichnungen aus der Gegend, analysierte die Aufzeichnungen des Nachbarschafts-TV… Das war gestern, spät in der
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