Brennendes Schicksal (German Edition)
leidenschaftliche Frau, eine hingebungsvolle Geliebte. Doch heute erreichte Pietros Feuer sie nicht. Steif lag sie auf dem Bett, erwiderte seine Küsse mechanisch, lauschte immer wieder in die Stille. Eine dunkle Ahnung, deren Herkunft sie nicht kannte, harrte in ihrem Kopf, in ihrer Seele.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich beruhigt hatte und Pietros Liebkosungen genoss. Die Ahnung aber blieb wie ein dunkles Zeichen am Rand ihrer Wahrnehmung.
Mit einem Mal hörte auch Pietro den Lärm von der Straße. Nicht nur ein Paar Stiefel knallte über das Pflaster, nein, es mussten weit mehr sein. Zehn, zwanzig, dreißig – einunddreißig. Trentuno.
Schon brach die Tür aus dem Schloss, schon trampelten Männer durch den Flur, rissen die Tür zum Schlafzimmer roh aus den Angeln. Die ersten beiden, die hereinkamen, stürzten sich auf Pietro, packten ihn an Händen und Füßen, ignorierten die Schreie, den Protest, die vergebliche Gegenwehr. Ein Dritter öffnete das Fenster, und mit Schwung warfen die Männer Pietro hinaus. Sein Körper schlug unten auf das Pflaster.
»Hau ab, wenn dir dein Leben lieb ist«, schrie einer und spuckte auf den Mann, der wie tot auf der Gasse liegen blieb. »Du hast hier nichts mehr verloren. Das hier ist allein eine Sache zwischen Alvaro del Gerez und Elektra.
Dann schlug das Fenster zu, und Elektra hörte nicht einmal mehr das qualvolle Röcheln ihres Liebsten, der mit gebrochenen Gliedern vor seinem eigenen Haus lag und seinen letzten Atem aushauchte.
Hastig zog sie die Decke über ihren nackten Leib. Sie zitterte am ganzen Körper. Sie hatte mehr als nur Angst, sie empfand Grauen. Elektra wusste, was nun passieren würde. Und es verwunderte sie nicht im Geringsten, dass Alvaro del Gerez plötzlich in der kleinen Schlafkammer auftauchte.
Er trat zum Bett, riss roh die Decke von Elektra und gab ihren nackten Körper den Blicken der einunddreißig Männer preis. Elektra bedeckte mit der einen Hand ihre Brüste, die andere legte sie schützend auf ihren Schoß. Doch del Gerez lachte nur roh, riss ihre Arme nach oben und band sie hoch über ihrem Kopf mit Kälberstricken an die hölzernen Bettpfosten.
Tränen der Scham stiegen der jungen Kurtisane in die Augen, und sie blinzelte, um sie nicht zwischen den Lidern hervorquellen zu lassen. Nein, Alvaro del Gerez sollte ihren Schmerz und ihre Scham nicht sehen. Die Blicke der Männer brannten wie Feuer auf ihrer Haut. Elektra schloss die Augen, doch sie wusste, dass ihr dies nicht helfen würde. Nichts gab es, was ihr jetzt noch helfen konnte. Schon lange hatte sie auf diesen Augenblick gewartet, hatte ihn sich ausgemalt, um vorbereitet zu sein. Doch die Angst, die sie jetzt empfand, war größer, stärker, umfassender als alles, was sie jemals an Furcht und Bangigkeit empfunden hatte. Ein Zittern überkam sie, stieg aus der Tiefe ihrer Seele auf und ließ ihren Körper schlottern, die Zähne aufeinander schlagen.
»Du weißt, warum ich hier bin, mein Täubchen?«, fragte Alvaro del Gerez mit honigsüßer Stimme, die vor Häme und Bosheit troff.
Elektra nickte.
»Dann antworte mir in einem ganzen Satz. Aus deinem Mund will ich hören, warum ich mir die Nacht um die Ohren schlagen muss.«
»Ihr seid gekommen, um mich dem Trentuno anheim fallen zu lassen«, antwortete Elektra und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen, stolzen Klang zu geben. Sie presste die Kiefer so fest sie konnte aufeinander, um das Klappern der Zähne zu vermeiden. Doch ihre Augenlider zitterten, die Blicke irrten wie Glühwürmchen durch den Raum.
»Richtig, Täubchen«, lobte del Gerez und tätschelte ihr mit fester Hand die Wange.
»Und nun sage uns noch, was genau das Trentuno ist und wer es verdient.«
Elektra schluckte. Sie betrachtete Alvaro, ihren Gönner, von oben bis unten. Sie sah einen hoch gewachsenen, sehr schlanken Mann mit geschmeidigen Gliedern. Das dunkle Haar hing ihm bis auf die Schultern herab. Die Flügel seiner zu großen Nase bebten, und der Mund, den sie immer als lüstern empfunden hatte, nahm einen gierigen Ausdruck an. Alvaro del Gerez war auf das Sorgfältigste gekleidet. Er trug dunkelgrüne Strumpfhosen aus einem feinen Wollstoff, dazu ein ebenfalls dunkelgrünes Wams aus Mailänder Samt und einen Umhang, der an den Ärmeln und am Halsausschnitt mit feinstem Pelz, Zobel wahrscheinlich, verbrämt war. Das Barett hatte er vom Kopf genommen und hielt es in der Hand. Der große goldene Siegelring leuchtete wie eine winzige Fackel in
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