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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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wir?«
    Die Choristen standen da und zuckten ratlos mit den Schultern. Wieder wogte das Tuscheln, Wispern und Summen wie eine Welle durch den Saal. Doch niemand hatte einen Vorschlag, und schon bald brach das Stimmengewirr ab und Stille kehrte ein. Eine Stille, die lauter dröhnte als Kanonendonner. Die Passionsspiele waren in Gefahr! Für Siena gab es nichts Schlimmeres. Ein Osterfest ohne die opulenten Aufführungen wäre wie ein Himmel ohne Sterne. Schlimmer noch als ein Krieg. Ratlosigkeit machte sich breit. Die Solosopranistin würde niemals bis zum Osterfest wieder singen können. Sie musste froh sein, wenn sie mit dem Leben davonkam. Die Sänger sahen die Sängerinnen an, schüttelten leicht den Kopf. Nein, es gab keine Frau im ganzen Chor, die in der Lage war, die Solistin zu ersetzen. Doch eine Aufführung ohne Solosopran war ebenfalls undenkbar. Nicht nur die Sieneser warteten darauf, sondern die ganze Republik. Die örtlichen Passionsspiele waren eine der wenigen Gelegenheiten, der großen Rivalin Florenz Paroli zu bieten. Es ging nicht nur um das Solo, es ging um den Stolz einer Stadt, einer ganzen Region. Ein nationales Unglück war es für die Republik Siena, dass die Solistin elend im Krankenbett lag. Acht Wochen bis Ostern. Nur noch acht Wochen! Woher sollte man so schnell eine neue Sängerin bekommen? Und noch dazu eine mit einer engelsgleichen Stimme? Nein, die Passionsspiele waren verdorben, die Republik Siena von einer Katastrophe bedroht.
    »Weiß denn niemand einen Rat?«, fragte der Visconte. Seine Stimme klang so betrübt, dass die Chormitglieder die Köpfe hängen ließen und die Musiker die Instrumente absetzten. Aus der allgemeinen Ratlosigkeit wurde langsam Verzweiflung.
    Ein Räuspern durchbrach die Stille. Angelo da Matranga wandte den Kopf. Es war der Saaldiener, der auf einer Wandbank neben der zweiflügeligen Tür hockte und nichts anderes zu tun hatte, als die Fackeln am Brennen zu halten.
    »Ja?«, fragte der Visconte.
    »Nichts, Herr. Verzeiht, Herr. Mir kam flüchtig ein Gedanke, doch er ist es nicht wert, ausgesprochen zu werden.«
    »Sag, was du gedacht hast, Saaldiener. Wir sind in Not. Ganz Siena ist in Not. Wir brauchen jeden Gedanken, jeden Einfall. Du bist doch ein echter Sohn der Sieneser Republik?
    »Jawohl, Herr, das bin ich. Ein Sieneser von echtem Schrot und Korn. In Stücke würde ich mich hauen lassen für meine Heimat.«
    »Gut. Dann stelle hier deinen Mut unter Beweis und sprich aus, was du gedacht hast. Wenn dein Einfall nichts taugt, so haben wir nichts verloren. Ist er aber gut, so hast du womöglich geholfen, das Ansehen der Stadt zu retten.«
    Der Saaldiener blickte schamhaft zu Boden, kratzte mit seinem Stiefel über das polierte Holz, stammelte dann: »Nun, ich dachte... aber nein, es ist dumm ...Vielleicht möchten der Visconte einmal... nein, ich bitte um Vergebung.«
    »Sprich dich aus. Ich höre dir gern zu.«
    Der Saaldiener sah mit gehetzten Blicken durch den Saal. Sein Mund stand einen Spalt offen, und er leckte sich mit der Zunge immer wieder aufgeregt über die Lippen. Vor so vielen Leuten zu sprechen brachte ihn in die größte Verlegenheit.
    Der Visconte bemerkte die Qual des Mannes. Er verließ seinen Platz vor dem Chor und trat zu dem Saaldiener. Dann setzte er sich neben ihm auf die Bank und wartete geduldig.
    Auch die anderen standen ruhig da und sahen den Mann freundlich an. Nur eine Frau war hervorgetreten.
    »Los doch, Mimmo«, rief sie, aber der Visconte gebot der Frau Schweigen.
    Langsam hob der Diener den Kopf. »Meine Frau gehört auch zu Eurem Chor«, sagte er schließlich. »Gianna heißt sie, sie hat vorhin gesungen. Vor kurzem haben wir ihre jüngere Schwester zu uns nehmen müssen. Laura. Sie kommt aus der Maremma, weiß so gut wie nichts vom Leben in der Stadt. Eine Gastwirtstochter war sie. Ist sie noch. Kann nicht lesen und schreiben.«
    Im Saal wurde es unruhig. »Komm auf den Punkt, Mimmo«, rief einer dem Saaldiener zu.
    »Auf den Punkt, ja, also. Laura, meine kleine Schwägerin, sie hat eine Stimme wie ein Engel. Selbst die Vögel verstummen, wenn sie singt.«
    Wieder ließ Mimmo den Kopf schamvoll sinken. Doch der Visconte legte ihm einen Arm um die Schulter.
    »Wie alt ist sie, deine kleine Schwägerin?«, fragte er.
    »Siebzehn wird sie im nächsten Monat.«
    »Und du meinst, sie hätte vielleicht Spaß daran, in unserem Chor mitzusingen?«
    Mimmo sah hoch und suchte mit den Blicken nach seiner Frau. Auch der Visconte sah

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