Brennendes Schicksal (German Edition)
Selbst an Körpergröße hat da Matranga eingebüßt. Sein Gang ist schwer und müde. Man sagt, er kümmere sich kaum noch um die Geschicke der Stadt. Stunde um Stunde verbringe er in der Kathedrale am Grab seines Sohnes Orazio. Aber aufwecken kann er ihn nimmermehr.«
Die Mägde stießen sich an, sahen zu Laura, die das Treiben aus den Augenwinkeln beobachtete. Dann sagte die eine: »Er scheint sich von unserer Herrin abgewendet zu haben und kommt nur noch selten hierher. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht eines Tages unsere Anstellung verlieren. Noch erhalten wir unseren Lohn, aber was wird sein, wenn er sie endgültig verstößt?«
»Keine Sorge«, erwiderte die andere. »Circe da Volte rra kümmert sich um ihn. Außerdem hängt er an seinem Sohn. Verstößt er die Signorina Laura, so haben wir immer noch Signora da Volterra. Sie wird weiterhin hier leben und Mägde brauchen, die sich um den Haushalt kümmern.«
»Da hast du Recht.«
»Wollt ihr wohl eure Aufmerksamkeit auf die Wäsche richten? Es geht nicht an, dass unter eurem Geschwätz die Arbeit leidet.«
Laura schalt die Mägde sehr selten, doch inzwischen war sie an einem Punkt angelangt, an dem auch ihre Nerven blank lagen.
Die Mägde hatten Recht. Erst ein einziges Mal war Angelo da Matranga in dieser Woche zu Laura gekommen. Ein flüchtiger, in die Luft gehauchter Kuss, ein Glas Wein, dann war er schon wieder weg gewesen. Seit Orazios Tod hatten sie kein einziges Mal beieinander gelegen. Angelo hatte seine Askese mit der Trauer begründet, doch Laura wusste, dass dies nicht die Wahrheit war. Er hatte Angst vor ihr.
Und Laura hatte sich in ihrer Traurigkeit und Verzweiflung immer mehr zurückgezogen. Doch jetzt straffte sie den Rücken und reckte das Kinn. Ich muss einmal wieder hier rauskommen, beschloss sie. Ich muss hören, was in der Stadt, an den Brunnen und auf dem Markt geredet wird. Vielleicht erhalte ich den einen oder anderen Hinweis.
Sie verließ die Waschküche und sagte der Köchin Bescheid, dass die notwendigen Einkäufe heute von ihr selbst erledigt werden würden. Dann nahm sie den großen Weidenkorb und machte sich auf den Weg zum Markt.
Sie war noch nicht lange gegangen, da sah sie Marissa Barbetta vor sich auf dem Weg. Laura beschleunigte ihren Schritt, bis sie mit der Geliebten und zwischenzeitlichen Verlobten Damiani Sticcis auf gleicher Höhe war.
»Gott zum Gruße«, sagte Laura und nickte freundlich. Doch Marissa sah sie aus großen Augen an und wich ein Stück zurück.
»Wie geht es Euch? Ist alles in Ordnung?«, wunderte sich Laura.
»Es ist alles zum Besten«, stammelte Marissa Barbetta und wich noch ein Stück weiter zurück. »Ich habe erst gestern eine große Wachskerze für die Mutter Gottes gespendet. Der Herr weiß, dass ich wahrlich nicht üppig lebe, aber ich gebe gewiss, was ich kann.«
»Warum erzählt Ihr mir das, Marissa?«, fragte Laura noch immer verwundert. Doch die zukünftige Signora Sticci sah sie nur mit flackerndem, ängstlichem Blick an und sprach weiter, als hätte sie Lauras Fragen nicht verstanden. »Gott ist mein Zeuge, dass ich noch nie im Leben einem Menschen etwas Böses getan habe«, plapperte sie weiter. Ihr Gesicht war blass geworden, und die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor. »Immer war ich barmherzig und mildtätig. Ich werde auch für Euch beten, Signorina Laura, dessen könnt Ihr gewiss sein. Wir sind alle froh, dass Ihr eine so gute Lehrerin wie Circe da Volterra an Eurer Seite habt. Ich habe nie schlecht von Euch gedacht, Laura. Und ich habe nie schlecht von Euch gesprochen. Das könnt Ihr mir gern glauben. Gott ist mein Zeuge. Er ist mein Hirte und mein Licht in der Dunkelheit...«
»Marissa Barbetta!«, sagte Laura laut und energisch. »Was, um Gottes willen, redet Ihr denn da? Ist Euch nicht wohl? Braucht Ihr Hilfe?«
Laura ging einen Schritt auf die Frau zu und wollte nach ihrem Arm fassen, doch Marissa wich bis an die Hauswand zurück, blickte wie ein Tier in der Falle und presste beide Hände auf ihren Busen.
Laura blieb stehen und nahm die Hände herunter. »Fürchtet Ihr Euch etwa vor mir?«, fragte sie ungläubig.
Marissa Barbetta nickte. »Aber ich habe keinem Menschen je etwas Böses getan.«
»Das glaube ich Euch gern. Doch sagt mir, warum Ihr Euch vor mir fürchtet. Auch ich habe noch nie jemandem etwas Böses getan.«
»Ich ... ich ... ich muss weg«, stammelte Marissa Barbetta und sah sich gehetzt um. Die Magd, die sie begleitet hatte, stand in
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