Brennendes Schicksal (German Edition)
nehmen.«
Sie sah, wie jemand mit den Füßen ihren Weidenkorb zertrampelte. Immer näher rückte die Menge, das große, gewaltige, stinkende Tier, das sie zu verschlingen drohte.
»Nein!« , schrie sie noch einmal, so laut sie nur konnte, dann schloss sie die Augen und wartete auf den ersten Schlag, den ersten Tritt.
»Schluss jetzt!«, hörte sie plötzlich eine bekannte Stimme rufen. »Seid ihr von Sinnen?«
Die Stimme dröhnte so laut, dass die Menge leiser wurde und schließlich verstummte.
»Weg mit euch! Schert euch nach Hause!«
Schläge von Knüppeln waren zu hören. Laura spürte, dass die Schritte sich entfernten, die Menge zurückwich. Doch sie wagte es nicht, die Augen zu öffnen, und krümmte sich stattdessen noch mehr auf dem Boden zusammen.
Dann spürte sie, wie eine Hand vorsichtig über ihr Haar strich. »Laura, es ist vorbei. Komm, ich helfe dir hoch!«
Es war Mimmo, der so ruhig und leise, so sanft und freundlich auf sie einredete. Laura öffnete die Augen und weinte vor Erleichterung, als sie das vertraute Gesicht ihres Schwagers vor sich sah.
Er lächelte sie an, doch in seinen Augen las sie große Besorgnis. Er hielt ihr seine Hand hin: »Komm, steh jetzt auf, Laura. Es ist vorbei. Ich bringe dich ins Rathaus.«
Mühsam und noch ganz benommen von der Angst und dem Schrecken, rappelte sich Laura hoch. Mehrere Bedienstete des Questore waren noch immer damit beschäftigt, die Menge auseinander zu treiben.
Neben ihr aber stand der Bischof Filieri und betrachtete sie mit besorgter Miene.
»Kommt, Kind, ich bringe Euch ins Rathaus. Dort seid Ihr erst einmal sicher.«
Mit schwankenden Schritten und von Mimmo und dem Bischof gestützt, gelangte Laura ins Rathaus.
Mimmo brachte ihr einen Becher Wasser, während sie im großen Saal, der um diese Zeit einsam und verlassen lag, ihre Kleidung notdürftig in Ordnung brachte. Erschöpft sank sie auf einem Lehnstuhl nieder.
Laura brauchte eine ganze Weile, bis sie sich beruhigt hatte. Dann erst fragte sie, die Tränen nur mit Mühe zurückhaltend: »Was ist geschehen? Warum hassen mich die Menschen plötzlich so? Ich habe doch nichts getan! Was ist nur los?«
Der Bischof seufzte und setzte sich neben sie. Er nahm ihre Hand und tätschelte sie väterlich.
»Angelo da Matranga ist krank. Heute Morgen ist er nicht ins Rathaus gekommen. Es heißt, er liegt danieder, unfähig aufzustehen, unfähig sogar, sich nur zu bewegen.«
»Wie? Was ist mit ihm? Ich muss auf der Stelle in den Palazzo«, rief Laura. Sie hatte vollkommen vergessen, dass sie eben erst der grausamen Menge entkommen war. Sie sprang auf und wollte in Richtung Tür laufen, doch der Bischof hielt sie am Arm zurück.
»Bleibt, Laura. Ich habe mit Euch zu reden. Ihr könnt im Augenblick nicht einfach draußen umherlaufen. Es ist zu gefährlich für Euch.«
»Was ist denn nur los? Madonna, was ist geschehen?«
»Setzt Euch und hört mich an«, befahl der Bischof. Er hielt Laura an der Hand und drückte sie auf den Stuhl zurück. »Wie gesagt, der Bürgermeister liegt krank danieder. In der Stadt geht das Gerücht, Ihr hättet ihn vergiftet. Auch Orazios Tod wird Euch nun zugeschrieben. Man sagt, Ihr hättet Ihn getötet, um für Euren eigenen Sohn Angelino das Erbe der da Matrangas zu sichern.«
Laura schüttelte fassungslos den Kopf und sah mit großen Augen von Mimmo zum Bischof und wieder zurück. »Wie bitte?«, war alles, was sie sagen konnte.
Der Bischof nickte. »Ja, so reden die Leute, die es einfach nicht besser wissen. Die Leute, die ihren Verstand nicht im Kopf haben. Unglücklicherweise sind sie in der Überzahl.«
»Ich liebe Angelo. Niemals würde ich seinen Sohn töten können.«
»Ich weiß, dass Ihr es nicht gewesen seid, Laura. Aber die Leute glauben es, und so seid Ihr derzeit in großer Gefahr. Es heißt auch, dass Ihr Angelo da Matranga vergiften wollt, weil er Euch verstoßen und sich Eurer Lehrerin Circe da Volterra zugewandt hat. Ich habe keine Ahnung, was dies alles zu bedeuten hat. Aber ich befürchte, wir müssen schnell dahinter kommen, ehe ein großes Unglück geschieht.«
»Wer hat dieses Gerücht gestreut?«, fragte Laura, die sich nur langsam wieder fasste.
Der Bischof zuckte mit den Schultern. »Ihr wisst doch, wie so etwas geht. Lässt jemand am einen Ende der Stadt einen Furz, so spricht man am anderen Ende von einem Donnerhall der Hölle. Wenn Ihr nach der Quelle solcher Gerüchte sucht, so müsst Ihr Euch fragen, wer einen Vorteil davon
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