Brennendes Schicksal (German Edition)
Wasser.
»Gottsdonner noch eins! Jetzt setzt Euch endlich hin! Laura ist nicht die erste Frau, die ein Kind zur Welt bringt.«
»Aber die erste, die ich liebe.«
Angelo da Matranga sah so hilflos und verängstigt aus, dass der Bischof beinahe Mitleid mit ihm bekam.
»Es wird schon alles gut gehen. Jedenfalls macht Ihr es Laura durch Euer Herumgerenne auch nicht leichter.«
»Still!«
Der Visconte blieb wie angewurzelt stehen. »Habt Ihr das gehört?«
»Was denn?«
»Den Schrei! Jemand hat geschrien!«
Da Matranga eilte zur Tür, riss sie auf und lauschte mit angehaltenem Atem in den Flur.
»Jede Frau schreit, wenn sie ein Kind zur Welt bringt. Kein Grund zur Sorge.«
Der Bischof schüttelte den Kopf über die Aufregung und goss sich großzügig vom Würzwein ein.
Im Haus blieb alles still. Nur hin und wieder waren das Knarren des Gebärstuhles zu hören und die Schritte der Hebamme oder Circe da Volterras, die ebenfalls bei Laura war. Hin und wieder hörte der Visconte gemurmelte Worte. Plötzlich wurde an der Haustür der Messingklopfer betätigt. Die Magd öffnete, und Angelo hörte die Stimme Beatrices.
Gleich darauf erschien seine Frau im Wohnzimmer seiner Geliebten.
»Und?«, fragte sie. »Gibt es etwas Neues?«
Angelo da Matranga schüttelte den Kopf. Seit zehn Stunden lag Laura jetzt schon in den Wehen, aber noch immer war nicht abzusehen, dass das Kind kommen wollte.
Beatrice wirkte ein wenig besorgt. »Zehn Stunden Wehen für eine Frau, die das erste Kind bekommt, sind nicht viel«, sagte sie. »Aber etwas anderes macht mir Kummer.«
»Was denn?«, fragte der Visconte und nahm seinen Lauf zwischen Lehnstuhl und Fenster erneut auf.
»Die Efeublätter.«
»Welche Efeublätter?«, fragte da Matranga und wunderte sich, dass seine Frau ausgerechnet in diesem Augenblick auf irgendwelche Pflanzen zu sprechen kam.
»Nun, ich habe die Magd gestern Abend gebeten, ein paar Efeublätter in eine Schale mit Wasser zu legen.«
Der Bischof schüttelte den Kopf. Auch er interessierte sich nicht übermäßig für Botanik, doch aus Ermangelung eines besseren Themas war er entschlossen, lieber Beatrices langweiligem Geschwätz zu lauschen, als den Visconte bei seinen endlosen und unruhigen Gängen durch das Zimmer zu beobachten. Also fragte er, um nicht einzuschlafen: »Aus “welchem Grund hat die Magd die Efeublätter ins Wasser gelegt?«
»Wisst Ihr es nicht?«
Der Bischof schüttelte den Kopf und bereute es schon, nachgefragt zu haben.
»Nun, Efeu ist ein Gewächs, dem magische Kräfte innewohnen. Vor einem großen Ereignis, wie zum Beispiel der Geburt eines Kindes, legt man ein paar Efeublätter über Nacht in eine Schale mit Wasser. Schwimmen die Blätter am nächsten Morgen glatt und grün auf der Wasseroberfläche, so ist dem Kind ein langes, glückliches Leben beschieden. Die Blätter aber, die Lauras Magd gestern hineingelegt hat, sind nicht glatt und grün.«
Sie hatte den letzten Satz in einer so beschwörenden und verhängnisvollen Tonlage hervorgebracht, dass selbst der Visconte aufhorchte.
»Nicht?«, fragte er. »Wie sind sie dann?«
»Die Hälfte ist wellig mit weichen Blatträndern, die sich wie im Schmerz krümmen, einige sind sogar bis auf den Grund gesunken. Jeder weiß, was das zu bedeuten hat: Krankheit und Leid.«
»Unfug!«, schimpfte der Bischof. »Ammenmärchen! Aberglaube! Woher sollen die Efeublätter das Schicksal von Laura und ihrem Kind kennen, was? Hat der liebe Gott es ihnen in der Nacht verraten, wie? Ihr redet wirr, Viscontessa da Matranga.«
Beatrice richtete sich kerzengerade auf, streckte den Rücken, reckte das Kinn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß, was ich weiß«, erwiderte sie trotzig. »Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als sich uns offenbaren. Ihr, Bischof, solltet das wissen.«
Plötzlich drang ein Schrei durch das Haus, prallte gegen die Wände und gellte in den Ohren.
Der Visconte erstarrte, dann rannte er zur Tür und riss sie auf. Eine Magd kam aus Lauras Zimmer, und er hörte die Stimme der Hebamme: »Los, hole Handtücher und heißes Wasser, schnell.«
Angelo da Matranga hielt die Magd am Arm fest. »Was ist los?«
Die Magd schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Herr. Das Kind, es will wohl nicht kommen.«
Dann eilte sie weiter, um das heiße Wasser und die Tücher zu holen.
Beatrice war unterdessen in Lauras Wohnzimmer auf die Knie gesunken und betete laut das Vaterunser und den Rosenkranz.
Der Bischof,
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