Brennendes Wasser
Ufervegetation würde sie vor den Pfeilen der Chulo schützen.
Ermuntert durch diesen geradlinigen Plan, paddelten sie mit neuer Energie und hielten sich genau zwischen dem Ufer auf der einen und den Wasserfällen auf der anderen Seite. Das Tosen der vielen tausend Tonnen Wasser, die in den fünf Kaskaden hinabstürzten, war unvorstellbar. In dem feinen Gischtschleier zu Füßen der Fälle konnten die Fliehenden einander kaum erkennen. Paul schwor sich, Gamay zu erzählen, dass er seine Meinung über ein Hotel an dieser Stelle geändert habe. Dann ließen sie die Gischt hinter sich und gelangten auf den offenen See. Vier Augenpaare suchten das bewaldete Ufer ab und hie lten nach der Flussmündung Ausschau.
Gamay, die im vorderen Kanu saß, deutete mit dem Paddel nach vorn. »Da drüben, wo die Lücke zwischen den Bäumen zu sehen ist. O nein…«
Sie alle erkannten den Grund für Gamays erschrockenen Ausruf: drei blauweiß schimmernde Einbäume, die soeben vom Fluss auf den See fuhren.
»Ein Jagdtrupp«, sagte Francesca und kniff im Sonne nschein die Augen zusammen. »Die Krieger waren unterwegs und wissen nichts von unserer Flucht. Für sie bin ich nach wie vor die Königin. Ich werde versuchen, uns durchzumogeln. Halten wir genau auf sie zu!«
Gamay und Paul unterdrückten ihre Befürchtungen und steuerten die Kanus in Richtung der Neuankömmlinge. Die Männer ließen keinerlei Anzeichen von Feindseligkeit erkennen, und zwei von ihnen winkten sogar. Dann ertönten vom Ufer aus Rufe. Alarich und seine Leute waren aus dem Wald aufgetaucht.
Sie schrien den Jägern etwas zu und gestikulierten wild. Die Einbäume schienen kurz zu verharren und steuerten dann, als die Schreie immer fordernder wurden, das Ufer an. Kaum hatten die Boote ihr Ziel erreicht, sprangen die Jäger heraus und ließen stattdessen die Verfolger an Bord. Die Flüchtlinge hatten die kleine Unterbrechung genutzt und hektisch den Fluss angesteuert, doch ihre Verfolger verkürzten rapide den Winkel.
»Wir schaffen es nicht bis zur Mündung!«, rief Gamay. »Die erwischen uns vorher.«
»Vielleicht können wir sie in der Gischt abhängen«, ent gegnete Paul.
Gamay wendete und hielt auf die Wasserfälle zu. Paul und Tessa folgten unmittelbar dahinter. Je näher sie den Kaskaden kamen, desto unruhiger wurde der See. Die Indios blieben ihnen hartnäckig auf den Fersen und konnten dank überlegener Stärke und Geschicklichkeit immer mehr Abstand gutmachen. Die Fälle ragten drohend vor ihnen auf, und die Gischt hüllte sie ein, doch nicht mehr lange, und die Wassermassen würden sie erschlagen., »Francesca«, brüllte Paul aus vollem Hals, »wir brauchen Hilfe aus Ihrer Zaubertasche!« Francesca schüttelte den Kopf.
Tessa jedoch meldete sich zu Wort. »Ich habe etwas«, sagte sie und reichte ihm den Beutel, der zwischen ihren Knien gelegen hatte. Paul griff hinein und bekam einen harten Gegenstand zu fassen. Es war eine 9-Millimeter-Pistole. »Wo kommt die denn her?«, fragte er verblüfft. »Sie hat Dieter gehört.«
Paul blickte auf die sich nähernden Kanus, dann zu den Wasserfällen. Ihm blieb keine andere Wahl. Francesca wollte ihren früheren Untertanen kein Leid zufügen, doch die jetzige Lage war ausweglos. Die ersten Pfeile flogen in ihre Richtung.
Paul steckte die Hand erneut in den Beutel und suchte nach weiterer Munition. Diesmal fand er ein GlobalStarSatellitentelefon. Dieter musste damit Kontakt zu seinen Runden gehalten haben. Paul starrte das Gerät an, bis ihm auf einmal die Bedeutung dieses Fundes bewusst wurde. Er stieß einen Freudenschrei aus.
Gamay hatte sich dem anderen Boot genähert und sah das Telefon. »Funktioniert das Ding?«
Er betätigte den entsprechenden Knopf, und der Apparat me ldete sofort Sendebereitschaft. »Unglaublich.« Paul reichte das Gerät an Gamay weiter. »Versuch’s mal. Ich bemühe mich unterdessen, die bösen Jungs zu verscheuchen.« Gamay wählte eine Nummer. Wenige Sekunden später meldete sich eine vertraute tiefe Stimme.
»Kurt!«, schrie Gamay in den Hörer. »Ich bin’s.«
»Gamay? Wir haben uns schon Sorgen um euch gemacht.
Seid ihr beide in Ordnung?«
Sie blickte zu den Kanus der Verfolger und schluckte vernehmlich. »Wir stecken tief in der Klemme, und das ist noch untertrieben.« Sie musste brüllen, um das Do nnern der Fälle zu übertönen. »Keine Zeit für weitere Erklärungen. Ich rufe auf einem GlobalStar an. Könnt ihr unsere Position orten?«
Peng!
Paul hatte Alarichs
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