Brennendes Wasser
seiner Schwäche für schöne Frauen und schnelle Boote. Außerdem würde ein Tequila mit Limettensaft als Schlummertrunk bestimmt ausgezeichnet schmecken. Ganz zu schweigen von der Aussicht auf weibliche Gesellschaft. Grinsend klappte er den Laptop zu.
5
»Schmeckt es Ihnen?«, fragte Dr. Ramirez.
Paul und Gamay sahen sich an. »Es ist vorzüglich«, sagte Gamay.
Erstaunlicherweise war das nicht übertrieben, dachte sie. Sie würde St. Julien Perlmutter, dem Marinehistoriker und Gourmet, von diesem exotischen Abendessen berichten müssen. Das zarte weiße Fleisch war in dünne Scheiben geschnitten und mit einheimischen Kräutern gewürzt. Dazu wurden frische Süßkartoffeln und eine kräftige dunkle Soße gereicht, begleitet von einem bemerkenswerten chilenischen Weißwein. O Gott! Sie war jetzt schon so lange im Dschungel, dass ihr gebratener Tapir schmeckte. Als Nächstes würde sie vermutlich Appetit auf Brüllaffen und Schlangen bekommen.
»Stimmt, es ist klasse«, pflichtete Paul ihr bei und nahm dann kein Blatt vor den Mund. »Damit hätten wir niemals gerechnet, als die Männer dieses seltsame Tier aus dem Wald geschleppt haben.«
Ramirez ließ verwirrt die Gabel sinken. »Tier? Aus dem Wald?… Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«
»Der Tapir«, warf Gamay zögernd ein und blickte auf ihren Teller.
Ramirez schien zunächst völlig verblüfft zu sein. Dann fing sein Schnurrbart an zu zucken, und er brach in schallendes Gelächter aus. Er hielt sich die Serviette vor den Mund. »Sie haben geglaubt…« Er musste schon wieder lachen. »Bitte verzeihen Sie. Ich bin ein schlechter Gastgeber, mich einfach so auf Kosten meiner Gäste zu amüsieren. Aber ich darf Ihnen versichern, dass es sich hierbei nicht um das Tier handelt, das als Jagdbeute ins Dorf gebracht wurde. Ich habe für unser heutiges Festmahl aus einem der Nachbardörfer ein Schwein gekauft.« Er verzog das Gesicht. »Tapir. Wie der wohl schmecken mag? Vielleicht sogar ganz gut.«
Er schenkte ihnen Wein nach und erhob sein Glas. »Ich werde Sie vermissen, meine Freunde. Ihre Gesellschaft war höchst erfreulich, und wir haben an diesem Tisch so manches anregende Gespräch führen können.«
»Vielen Dank«, sagte Gamay. »Die Zeit hier war eine faszinierende Erfahrung für uns und der heutige Tag dabei so aufregend wie kaum ein anderer.«
»Ach ja, der arme Indio.«
Paul schüttelte den Kopf. »Ich komme immer noch nicht über all diese ausgeklügelten Gerätschaften hinweg, die er bei sich gehabt hat.«
Ramirez hob beide Hände. »Das Nebelvolk ist ein geheimnisvoller Stamm.«
»Was wissen Sie über diese Leute?«, fragte Gamay mit wissenschaftlicher Neugier. Vor ihrem Doktortitel in Meeresbiologie am Scripps Institute of Oceanography hatte sie an der Universität von North Carolina Meeresarchäologie studiert und dabei zahlreiche Seminare in Anthropologie belegt.
Ramirez trank einen Schluck Wein, nickte beifällig und starrte dann kurz ins Leere, derweil er seine Gedanken ordnete. Durch die Fliegengitter der geöffneten Fenster drang das Summen und Zirpen von Millionen tropischer Insekten und bildete das passende Hintergrundkonzert für eine Erzählung aus dem Regenwald.
Dann ergriff Ramirez das Wort.
»Zunächst müssen Sie sich Folgendes verdeutlichen, während wir hier auf dieser Insel der Zivilisation sitzen, mit unserem Propangasherd und unserem Stromgenerator: Noch vor wenigen Jahren hätten wir diesen Bereich des Waldes nicht betreten können, ohne dafür innerhalb weniger Minuten mit unserem Leben zu bezahlen. Das Gebiet wurde von wilden Indios bewohnt.
Kopfjagd und Kannibalismus waren weit verbreitet. Jeder, ob nun ein Missionar, der Gottes Wort predigen wollte, oder ein Jäger auf der Suche nach Tierhäuten, wurde als Eindringling betrachtet, der getötet werden musste. Erst vor kurzem konnten diese Leute zivilisiert werden.«
»Außer den Chulo«, warf Gamay ein.
»Richtig. Sie ließen sich nicht befrieden, sondern zogen sich stattdessen tiefer in den Wald zurück. Ich muss gestehen, dass ich heute mehr über sie erfahren habe als in den drei Jahren, die ich nun schon hier lebe. Bislang habe ich ernstlich daran gezweifelt, dass sie überhaupt
existieren
. Bei diesem Stamm muss man besonders auf den Unterschied zwischen Tatsachen und Legenden Acht geben. Die anderen Indios meiden den Wald jenseits der großen Wasserfälle. Es heißt, dass niemand lebend aus dem Gebiet der Chulo entkommen könne. Wie Sie heute gesehen
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