Brennendes Wasser
Bombers. Wenige Monate nach der Erteilung des großen Auftrags, im Jahre 1949, stellte die Air Force das Deltaflügler-Programm zugunsten der B-36 ein, obwohl es sich dabei um eine weniger leistungsfähige Maschine handelte. Einer der Deltaflügler, eine Ausführung mit sechs Triebwerken, blieb schließlich übrig und wurde in seine Einzelteile zerlegt. Aus ihm stammt unser Zylinder. Der zweite Zylinder gehört demnach zu einem anderen Bomber.«
»Zu einer Maschine, die offiziell gar nicht existiert.« Miller nickte. »Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist allerlei verrücktes Zeug passiert. Der Kalte Krieg kam langsam auf Touren. Die Leute sahen an jeder Ecke Kommunisten lauern. Alle möglichen geheimen Machenschaften wurden in die Wege geleitet. Und nachdem die Russen ebenfalls über Atomwaffen verfügten, wurde alles nur noch schlimmer. Ich vermute, dass die Regierung einen geheimen Deltaflügler in Auftrag gegeben hat, von dessen Mission niemand etwas erfahren sollte.«
»Was für eine Art von Mission könnte das gewesen sein?«
»Keine Ahnung, aber ich habe da so eine Idee.«
»Lassen Sie hören, mein Freund.«
Miller lachte. »Der Deltaflügler sollte der Vorgänger des späteren Tarnkappenbombers werden. Die damaligen Radaranlagen waren vergleichsweise primitiv und konnten die schmale Silhouette kaum erfassen. 1948 flog man mit einem Deltaflügler auf den Pazifik hinaus, drehte um und kehrte mit achthundert Kilometern pro Stunde zum Festland zurück, und zwar genau in Richtung des Küstenradars der Half Moon Bay südlich von San Francisco. Das Flugzeug wurde erst dann vom Radar erfasst, als es sich genau über der Station befand.«
»Eine solche Eigenschaft dürfte sich als nützlich erweisen, wenn man unbemerkt über feindlichem Terrain operieren will.«
»Das vermute ich auch, aber ich habe keinerlei Beweise dafür.«
»Was könnte mit der Maschine passiert sein?«
»Vielleicht wurde sie trotz des guten Radarprofils entdeckt und abgeschossen. Ich halte es jedoch für wahrscheinlicher, dass man sie wie die anderen verschrottet hat oder dass sie während eines Testflugs oder einer Mission abgestürzt ist. Es waren noch längst nicht alle Konstruktionsfehler beseitigt.«
»Das alles erklärt leider nicht, warum ein Teil aus diesem Flugzeug jetzt in mexikanischen Küstengewässern aufgetaucht ist.«
Miller zuckte die Achseln.
»Unter Umständen werde ich in den alten Akten fündig«, sagte Austin.
»Viel Glück. Wissen Sie noch, was ich gerade über all das verrückte Zeug nach Kriegsende gesagt habe? Nachdem die Air Force die Bestellung der Deltaflügler storniert hatte, ging sie in die Fabrik, zerlegte alle im Bau befindlichen Maschinen und ließ sie als Alteisen verschrotten. Die Bitte der Smithsonian Institution, ein Exemplar zu Ausstellungszwecken zu erhalten, wurde abgelehnt. Alle Guss- und Stanzformen wurden vernichtet. Alle offiziellen Unterlagen über die Deltaflügler gingen ›verloren‹, angeblich auf direkten Befehl von Truman.«
»Wie günstig.« Austin starrte den Deltaflügler an, als läge die Lösung des Puzzles in dem aerodynamischen Rumpf verborgen, doch weder das Flugzeug noch sein Verstand schwangen sich in ungeahnte Höhen auf. »Tja, vielen Dank für Ihre Unterstützung«, sagte er schließlich. »Sieht aus wie eine Sackgasse.«
»Ich wünschte, ich wäre eine größere Hilfe gewesen«, sagte Miller. »Ich habe noch einen Vorschlag. Er ist ziemlich weit hergeholt. Ganz in der Nähe lebt die Witwe eines der Testpiloten. Sie ist vor einiger Zeit bei uns gewesen und hat nach Unterlagen über ihren Mann gefragt, der beim Absturz eines der großen Deltaflügler ums Leben gekommen ist. Sie wollte für ihre Kinder und Enkel eine Art Album zusammenstellen. Wir haben ihr einige Fotos gegeben, und sie hat sich sehr darüber gefreut. Vielleicht hat ihr Mann ihr damals etwas erzählt. Auch wenn er nichts von dem geheimnisvollen Flugzeug wusste, hat es womöglich irgendwelche Gerüchte gegeben.«
Austin sah auf die Uhr. Er hatte sowieso nicht eingeplant, noch am Vormittag in sein Büro bei der NUMA zurückzukehren. »Danke für den Tipp. Mal sehen, ob ich die Dame zu Hause antreffe.«
Sie kehrten ins Besucherzentrum zurück und suchten Name und Anschrift der Frau heraus. Sie hatte der Garber-Einrichtung eine beträchtliche Spende im Namen ihres Mannes zukommen lassen. Austin verabschiedete sich von Miller und fuhr in südlicher Richtung an den diversen Vororten Washingtons vorbei,
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