Brennendheiße Sehnsucht
gekommen, um auf mich aufmerksam zu machen.“ Plötzlich war es Amber wichtig, dass er sie verstand. Gerade dieser Mann sollte nicht schlecht von ihr denken. „Ich wollte die Trauung auch nicht stören, wie Sie offenbar vermutet haben. Sean hätte es verdient, aber es wäre gemein gewesen, und ich bin kein gemeiner Mensch. Ich wollte bei der entscheidenden Frage des Bischofs aufstehen und langsam hinausgehen, doch dann packte mich wieder der Zorn …“
„Sie sind den Kerl los, Miss Wyatt. Seien Sie froh.“
„Das bin ich“, versicherte sie, aber es klang bitter.
„Wie steht’s mit unserem gemeinsamen Dinner?“ Callum wiederholte die Einladung, als handele es sich um eine therapeutische Maßnahme. „Fühlen Sie sich dazu in der Lage? Es wäre klug, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit heiter und unbefangen zeigten.“
Amber zögerte. Sie konnte nicht entscheiden, ob ihr der Vorschlag gefiel oder nicht. War sie etwa im Begriff, sich zu tief ins Wasser zu wagen? Bei Sean hatte es kaum ihre Knöchel erreicht!
„Warum sind Sie so nett zu mir?“
„Ich bin nicht nett … oh nein.“ Mit einem Blick nach unten überzeugte Callum sich, dass die Kirchenbänke inzwischen leer waren. „Ich möchte Ihnen nur nicht gleich wieder Lebewohl sagen. In einigen Tagen fliege ich zurück.“
Amber zog die Augenbrauen hoch. „In Ihrem Privatjet? Es muss sehr angenehm sein, Geld zu haben.“
„Und sehr schwer, es zusammenzuhalten … das versichere ich Ihnen. Wie auch immer, bei uns ist ein eigenes Flugzeug kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Ich besitze sogar eine kleine Hubschrauberflotte.“
„Die Dinger machen mir Angst“, erklärte Amber. „Vor einigen Monaten war ich in einen Unfall mit dem TV-Helikopter verwickelt, aber das gehört nicht hierher. Sollten Sie nicht längst unten sein? Man wird sicher schon auf Sie warten.“
Callum nickte. „Darum muss ich mich beeilen. Wo wohnen Sie?“
Amber hob abwehrend die Hände. „Halt, Mr. MacFarlane. Das wäre Wahnsinn.“ Einem Mann wie Callum MacFarlane war sie nicht gewachsen. Gegen ihn war Sean ein Waisenknabe.
„Vielleicht liegt gerade darin der Reiz.“ Wieder erschien das betörende Lächeln auf seinem Gesicht. „Also, Ihre Adresse?“
„Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist …“ Amber, die sonst nie das Problem hatte, sich nicht entscheiden zu können, zauderte. Eben noch zutiefst unglücklich, spielte sie nun mit dem Gedanken, sich von einem attraktiven Fremden zum Dinner einladen zu lassen. Nein, niemals! Oder vielleicht doch?
„Geben Sie mir die Adresse“, drängte Callum.
Benommen leistete sie der Aufforderung Folge. Vielleicht konnte er bei der Bulldogge von einer angeheirateten Tante tatsächlich ein gutes Wort für sie einlegen.
„Ich hole Sie um neun Uhr ab“, versprach er. „Bis dahin müsste ich es schaffen. Es wird Ihnen guttun, unter Menschen zu sein.“
„Aber bitte ohne Paparazzi.“
Callum winkte, bevor er eilig die Wendeltreppe hinuntereilte. Der Organist spielte immer noch, nur die Sopranistin hatte sich bereits aus dem Staub gemacht.
Sir Clive und Rosemary stürzten sich auf Callum, sobald sie ihn entdeckt hatten. Rigoros bahnten sie sich ihren Weg durch die Menge – zwei Ozeanriesen in voller Fahrt gegen eine anbrausende See. Rosemary war groß und ausgesprochen stattlich. Ihr schicksalsergebener Ehemann Ian verblasste neben ihr bis zur Bedeutungslosigkeit, aber ihren Schwiegervater, ein Urbild von Kraft, Macht und Autorität, konnte sie nicht ausstechen.
Sir Clive hatte zwei Kinder – Ian, Georgettes Vater, und Stephanie, Callums Mutter. Seine Frau Rochelle war eine Woche nach ihrem vierzigsten Geburtstag mit dem neuen Sportwagen tödlich verunglückt.
Ian glich seinem Vater, wenn auch nur äußerlich. Stephanie hatte Rochelles Schönheit geerbt, ebenso ihren Verstand und das lebhafte Temperament. Sie war Sir Clives Liebling, während sein Sohn ihm nie etwas recht machen konnte. Ian spielte immer noch die Rolle des unbegabten Sohns, der fortwährend hinter den Anforderungen und Erwartungen seines Vaters zurückblieb.
Georgette, die Erbin des Erskine-Vermögens, hatte ihr ganzes bisheriges Leben mit Nichtstun verbracht, ohne wahres Vergnügen daran zu finden. Sie wurde völlig von ihrer Mutter beherrscht, und niemand verstand so recht, wie es einem Luftikus wie Sean Sinclair gelungen war, Rosemary und Sir Clive davon zu überzeugen, dass er Georgette ein guter Ehemann sein würde. Callum konnte nur den
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