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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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jetzt schon mein ganzes Leben lang nachstellten. Ich wusste manchmal nicht mehr, wie alt ich eigentlich war, ob der Onkel nicht schon längst hätte sterben müssen, weil ein zu langes Leben doch irgendwie verdächtig macht. Ich blickte zu den Baumwipfeln, einige sahen zu mir herab, sie fühlten sich wohl beobachtet (oder verschmäht), und kein Reh weit und breit, um mich irgendwo anzulehnen.
    Ich kroch zum Waldrand und schaute vorsichtig zu unserer Siedlung, die einträchtig und verlassen in der Sonne lag. Keine Menschenseele war zu erkennen, doch es war im Sommer auch viel zu heiß in den Mittagsstunden, und manchmal kamen die Bewohner tagelang nicht aus ihren Häusern, weil sie lieber in kühlen Räumen ruhten. Es roch bestenfalls nach verbranntem Fleisch, weil irgendwo jemand grillte, dicke Steaks und frischen Fisch (aus den nahen Tümpeln). Ich erinnere mich, als ich noch sehr jung war, wie ich vom Onkel wissen wollte, was mich (seiner Meinung nach) noch erwarte, ich wollte wissen, was ich für Aussichten hätte, und ob es in unserer Familie jemals einen Wildhüter oder Feuerwehrmann gegeben hatte, ich konnte mir für mein späteres Leben beides gut vorstellen.
Du kannst alles sein,
sagte der Onkel, und wenn jemand wie er einer Idee beipflichtete, würde sie bestimmt eintreffen, und alles wäre noch viel schöner, als man sich’s insgeheim vorstellte.
    Ich rollte mich auf den Rücken und sah zum Himmel, unsere Siedlung kannte ich in- und auswendig, als hätte ich schon etliche Leben hier verbracht (oder deren Auswirkungen erfahren). Ich fühlte mich eigenartig (selbst für meine Begriffe), zu alt für meinen Geschmack, und noch immer ließ sich kein einziges Reh blicken, keine Vierbeiner weit und breit. Zwischen den Wolken sah ich die Silhouetten sich langsam entfernender Vögel, doch sie flogen zu hoch, um ihnen etwas nachzurufen. Bestimmt querten sie die
große Schlucht
und pfiffen auf den Nebel, sie ließen alles hinter sich, um woanders zu nisten, fern ihrer alten und unliebsam gewordenen Brutstätten.
    Ich erinnerte mich daran, wie ich mit dem Onkel zum ersten Mal Schnaps getrunken und wie er mir geschmeckt hatte … Wie wir uns zuprosteten und die Tante hochleben ließen, bald darauf zerschellten die Gläser auf ihrem Grab. Der Onkel ließ seines fallen, und ich hörte ein «Cis», und danach war meines an der Reihe, und ich vernahm gar nichts, viel zu lange habe ich diesen Moment geleugnet. Gar nichts war passiert, nichts von alldem, und über mir pfiffen die Schwalben durch die flimmernde Luft, als gäb’s kein Morgen und die Welt auch nicht.
    Die Tante mochte keinen Schnaps, wo doch viele in der Siedlung regelmäßig tranken und einander nachstellten, und der Alkohol all das nicht besser machte. Der Schnaps meines Onkels (den wir an eigens dafür vorgesehenen Tagen brannten) schmeckte nach Wäldern und (klaren) Bächen, man konnte mit ihm allerdings auch seine Hände oder die Dielen in der Küche blank scheuern, aller Schmutz ging damit ab, und zurück blieb ein herber Geruch des «Schöngeistigen». Später war ich an den Todestagen meiner Tante immerzu am Trinken, doch den Onkel störte es nicht im Geringsten, weil ich mir sonst nichts zuschulden kommen ließ und keine weitere Beschäftigung brauchte. Manchmal kamen sogar unsere Nachbarn mit ihren Töchtern und Frauen, um einen Schluck zu nehmen, die jungen Mädchen bekamen davon ganz schnell rosige Wangen und kicherten.
    Einmal fasste ich einer dieser Übermütigen überschwänglich an die Hüfte, doch meine Hand rutschte sogleich ab, und die Männer lachten mich aus, und ich schämte mich gewaltig, weil ich insgeheim gehofft hatte, es wäre niemandemaufgefallen. Ich weiß heute nicht einmal mehr, wie das Mädchen ausgesehen hatte, aber sie roch ganz bestimmt wie eine Ziege, was daran lag, dass wir in jenem Sommer nur wenig Wasser zur Verfügung hatten und die Männer lieber Schnaps brannten und unpässlich waren und die Frauen sich nur gelegentlich wuschen.
    Unterdessen zeigten sich am Himmel die ersten Sterne, sie hingen beiläufig über den Minen, zwischen den Bergen und Felsen, und ich befühlte meine Muskeln, die sich an den Armen angelagert hatten (wie Schwemmsand). Mit einer Hand konnte ich längst ein Mädchen heben, und mit der anderen von Ast zu Ast schwingen oder eine Steilwand hochklettern, sogar der Onkel wunderte sich unlängst über meinen kräftigen Händedruck. Das viele Klettern und zur Seite Schaffen von nützlichen Dingen hatte

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