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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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eine Streichholzschachtel handeln. Schnell waren ein paar Streichhölzer abgebrannt, sie schaute mich im flackernden Licht an und meinte …
gar nicht mal so schlecht.
Dann küsste sie mich, und als alle Streichhölzer erloschen waren, wusste ich endlich, warum die älteren Burschen manche Mädchen aufregend fanden und sich lieber alleine mit ihnen trafen.
    Als ich schließlich nach Hause kam, saß der Onkel im Garten und nahm ein paar Fische aus, die er zum Trocknen in die Sonne hing. Ihre Eingeweide warf er in einen Bottich, den wir (kaum waren wir unter uns) als
Schlemmersteig
zu bezeichnen pflegten … Keiner wusste jedoch genau, wie es dazu gekommen war. Es war meine Aufgabe, den Schlemmersteig im Wald zu entleeren, möglichst weit weg von der Siedlung, damit der Gestank niemanden belästigte. Manchmal liefen mir ein paar Kinder hinterher, die unbedingt in den Bottich fassen wollten, es kam sogar vor, dass wir uns deshalb in die Haare gerieten und uns mit blutigen Eingeweiden bewarfen.
    Oft gab es zu Hause monatelang nur Trockenfisch oder -fleisch, die zähen Stücke ließen sich nur schwer im Mund zerteilen oder kauen, doch meinte der Onkel, dass ein längeres Kauen niemandem schade, und sie anderswo auf der Welt schließlich froh wären, so eine Delikatesse zum Beißen zu haben, und ich nicht ständig das Gesicht verziehen solle, mich vielmehr des Lebens freuen, wo wir doch alle hier wirklich noch Glück hatten.
    An jenem Abend waren mir die Worte meines Onkels herzlich egal, ich dachte stattdessen an Minenstollen und Mädchenlippen, abgebrannte Streichhölzer und allerlei Gekicher am längst vergessenen Eingang zur Unterwelt.

XI. Träumer

 
    Manchmal erinnere ich mich an die ersten Ausflüge in den Wald, wie es damals gewesen war, zwischen den Bäumen und Senken auf der Pirsch zu liegen, der Siedlung den Rücken zu kehren und dem Onkel nichts davon zu verraten. Dass wir Kinder dort Käfige aufstellten, wir hoben Gruben aus und tarnten sie mit allerlei Blattwerk, um Geister (tatsächlich!) in die Falle zu locken. Wir wollten sie später in Flaschen füllen und irgendwo verkaufen, weil wir dachten, dass sie anderswo eine Rarität darstellen und man bestimmt einiges dafür verlangen könnte … Räucherspeck oder Drahtschlingen oder Zahnkronen und so weiter. Wir nahmen uns vor, sie mit Brombeerranken zu fesseln, weil wir dachten, dass der Wald von ganz allein alles festhält, wenn man ihm nur die Gelegenheit dazu gibt (wir kannten es gar nicht anders). Sogar in den Bäumen brachten wir Schlingen an, wir erklommen die Stämme und legten sie sorgfältig aus, doch kein Geist verfing sich darin, zu unserem großen Leidwesen.
    In den Gruben brachen sich Rehe ihre Beine, und in den Käfigen warteten manchmal hungrige Füchse und Dachse, vielleicht waren die Geister auch nur zu schlau, oder es gab sie wirklich nicht. Wir besprachen uns und kamen zu dem Schluss, dass wir bestimmt falsche Köder ausgelegt und an den falschen Stellen gefischt hatten, vielleicht hatten wir nur einfach keine glückliche Hand (oder Geister grad nicht Saison).
    Eines Tages losten wir aus, wer die Nacht in einem der Waldkäfige verbringen würde, wo doch Lebendköder schon immer die besten Fangquoten brachten und man so etwas keinesfalls unversucht lassen sollte. Ich nahm einige Fichtenzweige und ließ allen die Wahl, das kürzeste Ästchenverlor, und wir sperrten schließlich eines der älteren Mädchen in die aus Buchenholz gezimmerten Fallen … Sie wehrte sich ein wenig, was ich auch getan hätte, bestimmt hätte ich sogar jemandem eine blutige Nase geschlagen. Zuvor hatten noch alle dem Losentscheid zugestimmt, denn die Vorstellung, endlich einen Geist in unserem Besitz zu wissen, beflügelte, doch die Konsequenzen wollte natürlich keiner ausbaden.
    Wir überließen dem Mädchen eine Taschenlampe und etwas Schokolade, zwei Decken (die Nächte konnten empfindlich kalt werden) und jede Menge guter Ratschläge. Einer meinte, sie solle sich nicht viel bewegen, um den Geist nicht abzuschrecken, andere glaubten, dass ein Geist von der Wärme eines menschlichen Körpers magisch angezogen werden würde, sie solle also in Bewegung bleiben (schwitzen!) und ihm bloß keine Märchen auftischen. Als ich ihr in die Augen sah, glaubte ich, mich selbst zu erkennen, also sagte ich ihr noch, dass ich im Morgengrauen wieder da sein, dass ich mich gleich in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus schleichen würde, um ihr etwas Tee und Kekse zu bringen (und

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