Brenntage - Roman
Hause versuchte ich es mit Waschpulver und Seife, es war alles vergebens. Beim nächsten Mal versuchten wir es nicht einmal mehr, das
Rot
wurde gern in Kauf genommen, wer würde auch je unsere Unterwäsche zu Gesicht bekommen.
Wir liefen durch die Wälder und hinterließen allerlei Markierungen an den Stämmen, kaum lehnte sich jemand irgendwo ans Holz, schon blieb ein roter Abdruck zurück, der Ameisen und Käfer anlockte. Bald ließen die Insekten (die sich an den Resten der Früchte labten) unsere Konturen deutlich hervortreten, sie fraßen sich satt an dem süßen Brei, sogar ein paar Wespen und Hornissen fanden sich ein, und es galt als ausgesprochen mutig, eine von ihnen mit der bloßen Hand einzufangen.
Meinem Onkel machten Stiche und Bisse nichts aus, keine Frage, doch ob man sich wirklich daran gewöhnen sollte? Einmal fanden wir irgendwo am Wegesrand vor der Siedlung eine Wildkatze, die zog das rechte Hinterbein nach, einer der Soldaten musste, sie im Wald angeschossen haben. Der Onkel drückte sie geschickt zu Boden und zeigte mir den Einschusskanal, das Fleisch in der Nähe der Wunde roch faulig und war längst von zahllosen Maden durchlöchert.
Die Kugel steckt noch,
meinte er wissend, tatsächlich war keinerlei Austrittswunde festzustellen.
Die können wir so nicht liegen lassen,
entschloss er sich und wollte mir den Vortritt lassen,
machst du?
Aber dann sah er, wie ich zögerte, es war auch kein Stein oder Knüppel in der Nähe aufzufinden,also packte er sie mit seiner Hand am Hals und drückte so lange zu, bis sie erschlaffte. Zuvor hatte sie ihm ihre Krallen tief in den Unterarm geschlagen, Wunden, die bei jedem anderen nie wieder so richtig heilen würden, der Onkel jedoch blutete nur leicht, Narben waren an ihm auch später keine auszumachen.
Mein Körper hingegen war von Narben, Ritzen und Flecken übersät, auf manche konnte ich mir selbst keinen Reim mehr machen, den rechten Unterarm zierte eine fünf Zentimeter lange Kerbe, bestens verheilt zwar, doch im Sommer, wenn ich gebräunt auf der Wiese lag, schimmerte sie in grellem Weiß, und strich man mit den Fingerkuppen darüber, fühlte man das tote Fleisch. Oder so eines ohne Nervenenden, keinerlei Regungen ließen sich dort feststellen, seltsame Wülste unter der Haut, die sich dann und wann verschoben und meinen Unterarm durchzogen. Früher wollte ich noch vom Onkel wissen, ob er sich vielleicht erinnerte, dass ich als Kind irgendwo dagegengelaufen war, was genau mich damals aufgeschlitzt oder zu packen bekommen hatte, er schüttelte jedoch nur seinen großen Kopf.
Was immer es war, du hast es abgeschüttelt
, damit war das Thema für ihn erledigt, und mir blieb immerhin noch die Möglichkeit, allerlei Vermutungen anzustellen. Vielleicht hatte mich ein Luchs gepackt, ein tollwütiger Fuchs seine Zähne in mich versenkt, hatte ich gar eine verwirrte Kugel aufgefangen (die für jemand anderen bestimmt gewesen war)?
An den Oberschenkeln fanden sich weitere Narben … Als ob ich in vollem Lauf in ein Sägewerk geraten (rostig und scharf) oder durch ein geschlossenes Fenster geschleudert worden wäre, die Folgen einer unbändigen Wucht warenmeiner Haut anzusehen. Die Brust wies zudem einige hellere Stellen auf, doch hierbei könnte es sich auch um Pigmentstörungen handeln, an der linken Wange konnte ich immerhin eine Narbe zuordnen … Beim Spielen im Wald war ich an einem spitzen Fichtenast hängen geblieben, der hatte mich glatt aufgespießt. Ich erinnere mich noch, wie ich zum Haus zurücklief und die Tante ein feuchtes Tuch holte und der Onkel eine seiner Salben hervorkramte und die Wunde säuberte.
Das muss genäht werden,
sagte er und griff auch schon nach dem Alkohol und einer von Tantes Nähnadeln, es war alles in allem keine große Sache, und ich zog mir die Fäden später sogar ganz allein.
Bestimmt wäre die Mutter stolz auf mich gewesen, wo ich doch mit dem Schmerz so gut umzugehen wusste, sie hätte meinen Kopf umfasst und gestreichelt und mir ein altes Kinderlied vorgesungen, dass ich ein mutiger und wissbegieriger Junge sei, der sich ganz alleine in Wald und Minen wagte, ja, wäre die Eisenbahn noch in Betrieb, ich wäre um die halbe Welt gefahren und nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Dem Onkel wollte ich nichts von meinen Tagträumen erzählen, insgeheim wusste er es wohl,
du glaubst bestimmt noch, die Welt wartet auf dich,
sagte er einmal zu mir,
deinen alten Onkel im Stich lassen zu wollen, dass du dich nicht
Weitere Kostenlose Bücher