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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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weiß alles. Kennt jeden. Die Glénan sind ihr Reich.«
    »Ihr Reich?«
    »Oh ja.«
    »Was soll das heißen?«
    »Sie werden schon sehen. Solenn Nuz hat das Quatre Vents vor zehn Jahren von der Gemeinde gekauft, zusammen mit ihrem Mann, Jacques. Ein leidenschaftlicher Taucher. Ihm gehörte die Tauchschule schon davor, aber da haben sie noch auf dem Festland gelebt. Keiner hatte das alte Bootshaus haben wollen, fast sieben Jahre lang hatte es leer gestanden. Es war allen zu beschwerlich gewesen, da draußen ein Restaurant aufzuziehen. – Haben Sie Solenn Nuz schon getroffen?«
    »Nein.«
    »Dann sicher eine ihrer beiden Töchter. Louann und Armelle, sie arbeiten auch in der Bar. Man kann die drei kaum auseinanderhalten, so ähnlich sehen sie sich, erstaunlich. Eine wohnt bei ihrer Mutter auf dem Archipel, die andere bei ihrem Freund auf dem Festland, ist aber häufig da. Sie haben ein kleines Häuschen auf der Insel, schräg hinter der Segelschule.«
    Das war kein einfaches Leben hier draußen, stellte sich Dupin vor.
    »Und der Mann, der Taucher?«
    »Oh, eine traurige Geschichte. Ertrunken. Gerade als sie das Quatre Vents gekauft hatten und auf die Glénan ziehen wollten. Es war ihr großer gemeinsamer Traum. Solenn ist dann trotzdem auf die Inseln gegangen. Sie hat den Klub verpachtet. An eine Freundin.«
    Dupin hatte sich in den Jahren der engen Zusammenarbeit mit Nolwenn vollständig daran gewöhnt, dass sie über sehr viele Menschen der Cornouaille – der Küste zwischen dem westlichsten Punkt Frankreichs, der Pointe du Raz, und Quimperlé – sehr viel wusste, ohne im Geringsten Aufheben darum zu machen. Dennoch war er manchmal baff, und ihm rutschte eine Nachfrage heraus.
    »Und woher wissen Sie all das?«
    »Das Ende der Welt ist nicht groß, Monsieur le Commissaire. Zudem hat mein Mann …«
    »… einmal ein paar Dinge für Solenn Nuz erledigt.«
    »So ist es.«
    Dupin hatte keine Ahnung, welchem Beruf Nolwenns Mann nachging – er hatte schon früh beschlossen, auch nie zu fragen –, aber der Beruf war offensichtlich universeller Natur. Es dürfte, hatte Dupin hochgerechnet, nicht viele Menschen in der Region geben, für die Nolwenns Mann nicht schon »ein paar Dinge erledigt« hatte.
    »Sie ist eine gut aussehende Frau. Herb. Eine raue Schönheit. Jung geblieben. Sehr jung.«
    Dupin war sich nicht sicher, was Nolwenn damit sagen wollte. Warum sie überhaupt seit Minuten über die Besitzerin der Bar hier redeten.
    Er ließ eine Pause entstehen.
    »Vergessen Sie meinen Anruf, Nolwenn.«
    Nolwenn kannte Dupins jähe Wechsel, in jeder Hinsicht.
    »Dann hören wir uns später.«
    »Ich melde mich.«
    Nolwenn hatte aufgelegt.
    Dupin hatte das Telefon noch halb am Ohr, gerade erst die rote Taste zum Auflegen gedrückt, als es erneut klingelte. Er nahm den Anruf reflexhaft an.
    »Monsieur le Commissaire?«
    »Riwal?!«
    »Bei Ihnen war wieder besetzt. Ich wollte sagen, dass die Leichen jetzt mit dem Hubschrauber in die Gerichtsmedizin nach Quimper gebracht werden, wenn Sie einverstanden sind. Hier können wir nichts weiter ausrichten. Auch Savoir nicht. Er braucht sie in seinem Labor. Er drängelt.«
    »Natürlich. Gibt es denn Neuigkeiten? Vermisstenmeldungen? Etwas zum Schiffbruch?«
    »Bisher nicht.«
    »Das kann doch nicht sein. Die drei müssen doch vermisst werden.«
    »Sie könnten von überall her sein. Vielleicht waren es Ausländer. Holländer, Deutsche, Engländer oder Pariser, die eine Tour entlang der Küste gemacht haben. Das tun viele. Wenn sie hier Ferien mit ihrem eigenen oder mit einem geliehenen Boot gemacht haben, kann es dauern, bis sie vermisst werden. Und ehe man dann bei der Polizei anruft.«
    Das stimmte. Dupin runzelte die Stirn und rieb sich mit der rechten Hand die Schläfe.
    »Die Bir ist inzwischen an den Méaban. Zwischen den Felsen treibt einiges im Wasser, wohl hauptsächlich Plastik. Noch weist nichts spezifisch auf ein verunglücktes Boot hin. Sie schauen sich jetzt alles genau an. – Kadeg und ich würden nun mit der Luc’hed zu Ihnen rüberkommen. Und dann bei den Booten nachfragen, die hier in der Kammer liegen. Ob jemandem etwas aufgefallen ist. Auch wenn das höchstwahrscheinlich nicht sehr ergiebig sein wird.«
    »Zu mir rüber?«
    »Genau.«
    »Tun Sie das.«
    Dupin hatte die Worte langsam gesprochen, er hatte während des Redens über etwas anderes nachgedacht. Er wusste ehrlich gesagt nicht, was er noch auf Saint-Nicolas sollte, überhaupt auf den Glénan –

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