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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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erst einmal zurückzuhalten. Um alles in der Hand zu haben.
    »Den Präfekten werde ich umgehend unterrichten müssen – in Ihrem eiligen Auftrag.«
    Das stimmte leider, es würde nicht anders gehen.
    »Gut, ja.«
    Dupin hätte fast aufgelegt. Aber Nolwenn brauchte ein paar zusätzliche Informationen. Für den Präfekten, vor allem aber, weil es immer gut war, wenn Nolwenn auf dem Laufenden war.
    »Man hat Konan und Lefort eine größere Dosis Valium oder Ähnliches zugeführt, Benzodiazepine, vermutlich hier im Quatre Vents, wahrscheinlich irgendwann zwischen halb neun und kurz vor neun, so viel, dass es relativ schnell zu schweren Koordinationsschwierigkeiten kam, die einen Schiffbruch erklären würden. Bei Guiautec, am Rand der Kammer, hat ein Taucher ein gesunkenes Boot entdeckt. Wir müssen schnellstmöglich feststellen, auf wen es gemeldet ist. Dann haben wir den dritten Mann.«
    »Und in seinem Blut sind keine Benzodiazepine festzustellen?«
    »Nein.«
    »Dann müssten Lefort oder Konan das Boot gesteuert haben. Aber warum nicht der dritte Mann, dem es gehörte? Wenn einer der beiden bemerkt hätte, dass ihm komisch wurde, hätte er doch das Steuer übergeben können?«
    Das war eine gute Frage.
    »Das … keine Ahnung. Sie waren wahrscheinlich die versierteren Seeleute, vor allem natürlich Lefort – Lefort kannte hier jeden Felsen. Sie hatten den Sturm schon aufkommen sehen. Und dann haben die Medikamente schnell zu wirken begonnen. Sie hatten zudem nicht wenig getrunken. Dann überschätzt man sich noch mehr.«
    Es klang für ihn selbst einigermaßen plausibel, was er da auf die Schnelle improvisiert hatte. Auch wenn es reine Spekulation war.
    »Und warum hat man dem dritten Mann keine Benzodiazepine verabreicht?«
    »Das war ja offenbar gar nicht nötig.«
    Dupin hatte wieder improvisiert – und wieder fand er es selbst plausibel.
    »Aber so weit sind wir noch nicht.«
    »Der Präfekt wird sehr involviert sein, Monsieur le Comissaire. Ich meine: persönlich involviert.«
    Dupin war sich vollkommen im Klaren über die Ausmaße dieses Falles, er machte sich keine falschen Vorstellungen.
    »Er wird Sie sicher sofort persönlich sprechen wollen. Ich werde ihm – wahrheitsgemäß – sagen, dass Sie sich bereits in wichtigen Vernehmungen befinden. Sie sollten dann später mit ihm sprechen. Wenn er sich wieder etwas beruhigt hat.«
    »Danke, Nolwenn.«
    Ohne es nur im Geringsten wahrzunehmen, war Dupin während des Gesprächs weitergelaufen. Er befand sich mittlerweile an der nordöstlichen Spitze der Insel. Immer noch rang er grundlegend mit der neuen Realität.
    Es war sehr unwahrscheinlich gewesen, dass dieser Mord überhaupt hatte entdeckt werden können. Alles hatte, da konnte sich der Mörder sicher gewesen sein, dafür gesprochen, dass der Tod dieser drei Männer für immer als Unfall gegolten hätte. Nur ein paar Stunden später, und die schweren Beruhigungsmittel wären nicht mehr nachzuweisen gewesen. Und: Wäre das Boot nicht schon hier auf dem Archipel schiffbrüchig geworden, sondern irgendwo auf dem Weg zur Küste, oder wären die Körper hier im Umkreis der Glénan während des schweren Sturms in eine andere Strömung geraten, sie wären wie die allermeisten der auf See Verschollenen nie aufgefunden worden. Das war, musste man sagen, zweifellos ein kaltblütig und klug ersonnener Mord. Es war keine spontane Tat gewesen, da war Dupin sich sicher. Kein plötzlich eskalierender Affekt. Anscheinend hatte jemand auf den richtigen Moment gewartet. Es war eine höchst disziplinierte Tat. Aber: Hatte der Mörder alle drei Männer gemeint? Oder nur einen oder zwei von ihnen und den Tod des oder der anderen billigend in Kauf genommen? Im Quatre Vents waren nur Lefort und Konan gesehen worden. Vielleicht gab es auch nicht nur einen Mörder.
    Dupin fielen immer neue Fragen und Möglichkeiten ein. Die verschiedensten Dinge, alles gleichzeitig. Er musste seine Gedanken ordnen. Sich fragen, was nun das Vordringlichste war. Vor allem hatte er das unbestimmte Gefühl, schnell sein zu müssen, sehr schnell. Aber: Er hatte noch nichts in der Hand. Gar nichts. Er stand ganz am Anfang.
    Dupin schaltete das Handy auf Vibration. Und auf »Anrufumleitung bei Nichtabnahme« – in stundenlangen Studien der wahnwitzigen Menü- und Untermenüführungen hatte er sich diese eine Fähigkeit im Umgang mit seinem Handy beigebracht. Er würde keinen Anruf mehr annehmen, dessen Nummer er nicht kannte. Es war immer das

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