Bretonische Brandung
gesagt?«
»Dass er in der nächsten Woche keine Chance haben würde, da wir das Boot brauchen.«
»Wie hat er reagiert?«
»Er sagte ›das werden wir sehen‹. Das war’s.«
Madame Menez’ Worte machten klar, dass sie ihre Auskunftspflicht erfüllt sah, sie wandte sich wieder zum Gehen. Dupin ließ sie.
»Vielen Dank, Madame Menez. Bis morgen.«
Er holte sein Notizbuch heraus und schrieb ein paar Dinge auf, immer noch im Stehen.
»Oh, entschuldigen Sie, Monsieur le Commissaire. Wir setzen uns. Kommen Sie. Direkt hier an den Küchentisch.«
»Danke.«
»Ich brauche etwas zu trinken. Trinken Sie etwas mit? Einen alten Cognac?«
»Ich … ja.«
Das war eine gute Idee.
»Und einen café? «
Das war noch nötiger. Sein Koffeinspiegel war bedenklich niedrig.
»Sehr gerne.«
Vor Dupin auf dem alten Holztisch standen eine – bereits leere – antik aussehende Espressotasse und ein dickbauchiges, mutig gefülltes Cognacglas, dazwischen lagen sein Notizheft, sein Bic und, gefährlich nahe an der Tischkante, sein Handy. Muriel Lefort saß ihm gegenüber, ihr Glas in der Hand, aus dem sie schon einige Schlucke getrunken hatte.
Sie hatte alles genau wissen wollen, den möglichen Hergang des Unfalls – alles, was die Polizei zu diesem Zeitpunkt bereits sagen konnte. Dupin hatte berichtet, was er wusste. Aber das war nicht viel.
»Wir wissen tatsächlich nicht mehr, als ich Ihnen eben gesagt habe. Das Boot gehörte dem dritten Mann, Grégoire Pajot.«
»Warum waren sie auf seinem Boot?«
»Wir tappen noch vollständig im Dunkeln.«
Muriel Lefort runzelte die Stirn.
»Vielleicht weil sie dachten, mit dem Schnellboot meines Bruders bei höherem Wellengang nicht weit zu kommen. Bei agitierter See taugt so ein Boot zu nichts. Vielleicht waren sie deswegen auf Monsieur Pajots Boot.«
»Wir haben Monsieur Konans Boot in Bénodet gefunden. Ihr Bruder muss hier auf den Glénan an Bord gegangen sein. Wir haben keine Kenntnis davon, wo die drei sich mit dem Boot anschließend aufgehalten haben und wie lange. Ich hatte gehofft, Sie würden vielleicht etwas mehr wissen.«
»Nein. Nicht das Geringste. Ich habe auch schon mit Madame Menez gesprochen, sie hat ihn nur gestern Abend gesehen. Sie sollten mit seiner Freundin sprechen.«
»Das tun wir. Gibt es weitere Familie? Müssen wir noch jemanden verständigen?«
»Oh nein. Es gibt nur einen entfernten Onkel, zu dem wir seit über zehn Jahren keinen Kontakt mehr haben. Was wissen Sie noch, Monsieur le Commissaire? Für mich ist es wichtig, alles zu erfahren. Das macht es realer.«
»Wir gehen davon aus, dass man ihnen die Beruhigungsmittel im Quatre Vents ins Essen oder in die Getränke gemischt hat.«
»Im Quatre Vents? Unglaublich.«
Plötzlich war ein seltsames Brummen zu hören, das Handy bewegte sich über den Tisch. Der Präfekt. Dupin sprach unbeeindruckt weiter.
»Sie selbst waren ja zur mutmaßlichen Tatzeit im Quatre Vents, gegen halb neun?«
Dupins Tonfall entsprach nicht der Schärfe seiner Frage. Muriel Lefort richtete ihren Oberkörper auf und rückte ein Stück auf ihrem Stuhl nach hinten. Sie reagierte nicht.
»Ist Ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Mir? Nein. Ich bin nur kurz im Quatre Vents gewesen. Ich habe mir etwas zu essen geholt. Ein Entrecôte. Sie packen einem auch alles ein. Das mache ich manchmal, wenn viel zu tun ist. Ich habe den ganzen Abend mit Papierkram zugebracht. Im Büro. Vorher habe ich ein paar Worte mit Leussot gewechselt. Banalitäten. Armelle Nuz hat mich bedient. Solenn habe ich gar nicht gesehen.«
Das Wort »Entrecôte« hatte keine gute Wirkung auf Dupin. Er spürte, dass er entsetzlichen Hunger hatte, ihm war fast schwindelig. Und Entrecôte – Entrecôte frites – war mit großem Abstand sein Lieblingsessen. Er versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Wo stand oder saß Ihr Bruder, als Sie ins Quatre Vents kamen?«
»In der Nähe der Getränkeausgabe, am Tresen, aber später auch auf der anderen Seite des Durchgangs. Rechts. Mit dieser Blondine.«
»Dann waren Sie nur zwei, drei Meter entfernt voneinander. Sie und ihr Bruder.«
»Ja.«
»Aber Sie haben nicht mit ihm gesprochen, sagen Sie?«
»Ich glaube, er hat mich gar nicht wahrgenommen. Er war sehr vertieft in sein – Gespräch. Es war gestern Abend wirklich viel los im Quatre Vents. «
»Das wissen wir. Wer stand noch in der Nähe? An der Bar? Wer wartete auf sein Essen oder kam Getränke holen?«
Dupin wusste, dass die
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