Bretonische Verhältnisse
schon von Riwal erfahren, hatte Delon Pennec nicht gesehen. Delon war bei seiner Tochter in Brest gewesen. Er konnte also nicht behilflich sein bei der Rekonstruktion von Pennecs Tagen seit Montag, seit seinem Besuch bei Docteur Garreg.
Fest stand: Das Hotel war das Zentrum im Leben Pierre-Louis Pennecs gewesen. Dieses Erbe und die ganzen Verpflichtungen, die damit einhergingen. Pennec hatte sich in mehreren Komitees und Vereinen der Gemeinde zur »Pflege der Tradition« und ebenso zur Förderung junger Kunst in Pont Aven engagiert.
Was Dupin erfahren hatte – und das war dann doch auch etwas –, waren ein paar Dinge mehr über Pennecs Leben und Person. Über Vorlieben, Gewohnheiten, kleine Leidenschaften, von denen er einige mit Delon geteilt hatte. Sie hatten Schach gespielt, über fünfzig Jahre, schon als junge Männer, zumeist abends. Manchmal natürlich auch Pétanque, zusammen mit den anderen Männern des Ortes, unten am Hafen. Delon und er waren einmal die Woche zusammen auf dem Meer gewesen, egal, wie das Wetter war, mit Pennecs Boot, zum Angeln. Am liebsten im Frühjahr und Herbst, wenn die großen Makrelenschwärme die Küste entlangkamen. Sie hatten an einem oder zwei Abenden der Woche zusammen an der Bar des Hotels einen Lambig getrunken.
Insgesamt war Dupin ein wenig enttäuscht gegangen. Aber er mochte den alten Delon.
Die Straßen im alten Stadtkern um den Place Gauguin hatten sich wieder gefüllt, es war trubelig. Die meisten Urlauber waren vom Strand zurück, sie wollten noch etwas durch die Läden und Galerien streifen und sich dann ein Restaurant suchen. Es war unglaublich, wie viele Galerien es gab, erst jetzt mit der Hochsaison fiel einem das richtig auf. Sie schienen wie Pilze aus dem Boden geschossen zu sein. Allein in der kurzen Rue du Port, die zum Hafen führte, hatte Dupin zwölf Galerien gezählt, die meisten aber befanden sich zweifelsohne in der Nähe des Museums. Zu kaufen waren Reproduktionen aller Bilder der Schule von Pont Aven , natürlich, von billig bis hochwertig, aber auch zahlreiche Originale aktueller Maler, die hier, an dem für die Malerei epochalen Ort, ihr Glück versuchten. Dupin fand alle Bilder, die er bisher gesehen hatte, entsetzlich.
Er konnte nichts davon spüren, dass Urlauber in größerer Anzahl den Ort verlassen hatten oder meiden würden. Am Hotel Central selbst blieben einige Grüppchen kurz stehen, redeten etwas verdruckst und deuteten mit den Fingern hierhin oder dorthin. Nur am Morgen war ein paar Stunden lang so etwas wie Irritation zu spüren gewesen. Am Abend schien der Ort in die Sicherheit der touristischen Routinen zurückgekehrt zu sein.
Es war jetzt sieben Uhr. Dupin war wieder ein wenig schwindelig. Seit dem Sandwich am Nachmittag hatte er nichts gegessen. Und er hatte noch einiges vor heute. Er holte sein Handy hervor.
»Nolwenn?«
Dupin hatte es im Büro versucht, er wusste, dass sie noch da war.
»Monsieur le Commissaire?«
»Ich würde gerne morgen früh den Notar sehen, der Pierre-Louis Pennecs Testament verwahrt. Und wenn Sie uns Zugang beschaffen würden zu Pennecs Bankkonten. Ich will eine genaue Übersicht. Auch über seine Immobilien.«
Wenn er sich mit solchen Dingen an den »offiziellen Weg« hielt, wurde es immer kompliziert, eigentlich bedurfte es richterlicher Verfügungen – Nolwenn hatte so etwas ein paar Stunden später erledigt, ohne ein Wort darüber zu verlieren.
»Alles notiert. Riwal hat mehrere Male versucht, Sie zu erreichen und bittet Sie, ihn anzurufen. Er hat Neuigkeiten.«
»Ist er noch in Pont Aven?«
»Vor einer halben Stunde war er noch da.«
»Sagen Sie ihm, dass ich gleich zum Hotel komme und wir uns dort besprechen.« Er zögerte. »Kadeg und die beiden Kollegen aus Pont Aven sollen sich auch bereithalten.«
Er hatte das gar nicht vorgehabt. Aber es war richtig, sich à jour zu bringen. Vielleicht waren sie weitergekommen, vor allem mit der Frage, wie Pennecs letzte Tage ausgesehen hatten.
»André Pennec hat angerufen. Er hat es von Loic Pennec erfahren. Er ist bereits heute am frühen Nachmittag in Pont Aven eingetroffen.«
»Er ist sofort gekommen? Hat alles stehen und liegen lassen?«
»Er würde Sie gerne morgen früh sehen. Um acht, schlug er vor.«
»Sehr gut. Ich würde ihn auch gerne sehen.«
»Ich vereinbare alles. Treffen Sie ihn im Hotel?«
Dupin überlegte kurz.
»Nein. Sagen Sie ihm, im Kommissariat. Bei mir. Acht ist gut.«
»Werden Sie noch einmal herkommen, Monsieur le
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