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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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womöglich ganz für sich behalten? So wie Garreg es vermutete? Dann waren es zufällige Tatsachen nebeneinander, der Mord an Pennec und Pennecs tödliche Krankheit. Vielleicht war aber auch alles ganz anders? Sicher war, Pennec hatte gewusst, dass es ihn nun jeden Tag hätte treffen können – und das hatte für ihn alles verändert, verändern müssen. Alles. Auch für einen Einundneunzigjährigen.
    Dupin fühlte, wie er unruhig wurde. Er mochte das nicht. Er wählte Kadegs Nummer.
    »Kadeg – ich will wissen, was Pierre-Louis Pennec in dieser Woche gemacht hat. In den Tagen seit Montag. Alles, was wir rauskriegen können. Was hat er getan, wen hat er gesehen, gesprochen, angerufen? Sprechen Sie noch einmal mit allen über diese vier Tage. Sagen Sie Riwal Bescheid. Wir konzentrieren uns auf diese vier Tage. Von Montagmorgen bis gestern Nacht.«
    »Nur auf diese vier Tage? Warum?«
    »Ja. Nein. Natürlich nicht nur. Aber hauptsächlich auf diese vier Tage. Als Erstes.«
    »Und warum? Warum hauptsächlich auf diese vier Tage, Monsieur le Commissaire?«
    »Ein Gefühl, Kadeg. Ein Gefühl.«
    »Wir konzentrieren unsere ganze polizeiliche Arbeit auf ein Gefühl? Ich habe noch ein paar dringende Sachen, Monsieur le Commissaire.«
    »Später, Kadeg. Ich besuche jetzt Fragan Delon.«
    Dupin legte auf.
    Nolwenn hatte bei Fragan Delon angerufen und Dupins Besuch auf 17 Uhr verlegt. Jetzt war es 16 Uhr 30. Er würde noch rasch ein paar Stifte kaufen bei dem Tabac-Presse um die Ecke, zu dem er immer ging. Traditionell kaufte er immer die gleichen, billigen schwarzen BIC , weil er sie ständig wieder verlor (schneller als er sie nachkaufen konnte). Und ein paar Hefte brauchte er auch. Seit seiner Ausbildung benutzte Dupin immer dieselben Hefte, Clairefontaine, ein wenig schmaler als DIN A5, unliniert, leuchtend rot; so fand er sie auf den ersten Blick unter allen anderen Dingen. Er hatte schon seit der Schulzeit eine hoffnungslos miserable Handschrift. Auch schrieb er Wörter ganz unterschiedlich groß, die vollgeschriebenen Seiten wirkten chaotisch für einen Außenstehenden. Er ging die Notizen während eines Falles immer wieder durch. Wenn er ehrlich war, wusste er auch keine strengen Kriterien zu nennen für das, was er sich da aufschrieb und was nicht. Das Prinzip hieß schlicht: Was er in dem Moment für wichtig hielt, aus welchen Gründen auch immer. Es waren Stichworte, Skizzen, Tableaus, zuweilen wucherten sie. Er brauchte das, denn sein Gedächtnis arbeitete, zu seiner großen Verärgerung, weitgehend willkürlich. Es behielt Dinge, die er gar nicht mehr wissen brauchte und wollte, die kleinsten, entlegensten Details; anderes hingegen, an das er sich unbedingt erinnern wollte und musste, entschwand.
    In dem wuseligen Tabac-Presse am Quai Pénéroff, dem größten Platz der Stadt, war viel los. Wie in der ganzen Stadt seit ein paar Tagen. Concarneau bereitete sich auf den Höhepunkt des Jahres vor, das Fest der Feste: das Festival des Filets Bleus .
    Dupin liebte diesen Laden; er war, wie alle guten Tabac-Presse-Läden, vollgestopft bis unter die Decke; jeder Winkel, jeder Zentimeter wurde genutzt für Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Hefte, Schreibwaren, Süßigkeiten, Plastikkram und alles mögliche andere Zeug.
    Dupins Telefon klingelte. Eine verborgene Nummer. Er hatte gerade bezahlt und stand schon fast wieder auf der Straße. Er nahm ab, ohne sich zu melden.
    »Monsieur le Commissaire?«
    »Am Apparat.«
    »Hier Fabien Goyard. Ich bin der Bürgermeister von Pont Aven.«
    Dupin hatte von Goyard gehört, konnte sich aber nicht mehr an den Zusammenhang erinnern. Er hasste Politiker, bis auf sehr, sehr wenige Ausnahmen. Sie verrieten die wichtigsten Ideen. Dabei ging es um viel. Und sie hielten alle für bedauerlich naiv, die so über sie dachten wie Dupin.
    »Ich rufe an, weil mir viel daran gelegen ist, zu erfahren, ob Sie schon weitergekommen sind mit Ihren Ermittlungen? Das ist ein fürchterlicher Vorfall für unser kleines Pont Aven, wissen Sie – tödlich, absolut tödlich, und dies kurz vor der Saison. Sie müssen sich vorstellen …«
    Ein jähes Gefühl schlimmster Verdrossenheit überkam Dupin. Es war eine unabänderliche Gesetzmäßigkeit, immer ging es den »Wichtigen« dieser Welt um zwei Dinge: Geld und das Ansehen der eigenen Person. Nicht, dass sich Dupin groß darum gekümmert hätte, aber es nervte, und am schlimmsten: Es kostete Zeit. Und sein Chef Locmariaquer war ihm dabei keine Hilfe, im

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