Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
Vom Netzwerk:
werden, wann immer es etwas Neues gibt. Sobald jemand auch nur das Kleinste hat.«
    »Das ist doch merkwürdig. Das wird eine immer größere Geschichte«, sie stockte, »und sie ist ja schon jetzt groß genug. Worum könnte es gehen, meinen Sie?«
    »Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht.«
    »Ich hab auch alle anderen Informationen, ich gebe sie an Riwal. Sie sollten jetzt …«
    »Ja, ja.«
    Dupin zögerte kurz, klopfte dann doch symbolisch an seiner eigenen Tür, auch wenn es ihm komisch vorkam, und trat ein.
    Er wäre fast zusammengeschreckt. André Pennec sah Pierre-Louis Pennec unfassbar ähnlich. Frappierend. Dass er eine andere Mutter hatte, war ihm nicht anzusehen. Dieselbe Statur, dieselbe Physiognomie. Das hatte seltsamerweise niemand erwähnt.
    Er saß auf dem Stuhl gegenüber von Dupins Schreibtisch, machte keine Anstalten aufzustehen und blickte Dupin direkt in die Augen. Ein heller, sehr formeller, steifer Sommeranzug, die im Vergleich zu seinem Halbbruder etwas längeren Haare mit Gel peinlich nach hinten gekämmt.
    »Bonjour Monsieur.«
    »Monsieur le Commissaire.«
    »Gut, dass wir uns sehen.«
    »Ich hätte erwartet, dass Sie mich persönlich in Kenntnis setzen.«
    Dupin wusste zunächst nicht, was André Pennec meinte, fasste sich aber schnell wieder.
    »Das tut mir aufrichtig leid. Mein Augenmerk lag unmittelbar auf den ersten Ermittlungen. Darum hat Inspektor Riwal es übernommen, Sie zu unterrichten.«
    »Das ist gänzlich inadäquat!«
    »Wie ich sagte, es tut mir aufrichtig leid. Wie ich überhaupt mein tiefstes Beileid formulieren möchte über den Verlust Ihres Halbbruders.«
    André Pennec blickte Dupin kalt an.
    »Standen Sie sich nahe, Monsieur Pennec? Sie und Ihr Halbbruder?«
    »Wir waren Brüder. Was soll ich sagen. Mit allem, was Familie bedeutet. Jede Familie hat ihre Geschichten. Und eine Halbbrüderschaft ist wohl immer eine noch kompliziertere Sache.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Exakt das, was ich sagte.«
    »Ich würde gerne mehr wissen, Monsieur Pennec.«
    »Ich sehe keinen Grund, Ihnen private Details über das Verhältnis zwischen meinem Bruder und mir preiszugeben.«
    »Sie waren ein radikaler Verfechter der bretonisch-nationalistischen Bewegung Emgann Anfang der Siebzigerjahre.«
    Dupin hatte – eine seiner liebsten Vorgehensweisen – vollkommen ansatzlos mit dem Thema begonnen.
    »Manche sagen Ihnen Verbindungen zu deren extremen, militärischen Flügel nach, zur Bretonischen Revolutionären Armee. « Dupin macht eine längere Pause. »Es hat Tote gegeben im Kampf gegen die ›französischen Unterwerfer‹. Nicht wenige.«
    André Pennec hatte für einen Augenblick die Kontrolle über seine Gesichtszüge verloren, nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber Dupin hatte es gesehen. Wut und Fassungslosigkeit.
    »Das sind ganz alte Geschichten, Monsieur le Commissaire.«
    André Pennec sprach nun in großmännischem, entspanntem Ton.
    »Jugendsünden. Nie hat es Verbindungen zur Bretonischen Revolutionären Armee gegeben. Nicht im Entferntesten. Eine Idiotie war das. Diese Armee. Gut, dass man sie exterminiert hat.«
    »Ein junger Sozialist, Fragan Delon, hat Ihnen diese Verbindungen damals öffentlich vorgeworfen. Wiederholt und an prominenter Stelle. Sie haben es, heißt es, unterlassen, dagegen vorzugehen, weil Sie Angst vor den Nachforschungen hatten.«
    »Das ist absurd. Delon war schon immer ein Spinner. Mein Bruder hätte sich vor ihm vorsehen müssen. Ich hab es ihm immer gesagt.«
    Immer noch war seine Stimme beherrscht, wenn sie auch etwas schneidender wurde.
    »Sich vorsehen müssen?«
    »Ich meine …« Er brach kurz ab. »Jeder wählt sich seine Freunde.«
    »Ihr Bruder war ein dezidierter Gegner von Emgann , in jeder Hinsicht.«
    »Wir hatten hierüber ein paar Differenzen.«
    »Seitdem haben Sie sich nur wenige Male gesehen, in fast vierzig Jahren. Das müssen schon schwerwiegendere ›Differenzen‹ gewesen sein.«
    »So ist es nun mal gewesen, Monsieur le Commissaire. Alte Geschichten.« Er zögerte wieder etwas. »Wir haben telefoniert von Zeit zu Zeit. Unregelmäßig.«
    »Man sagt, Sie hätten die Bretagne dann Ende der Siebziger verlassen und in der Provence noch einmal ganz neu angefangen, weil Sie fürchteten, aufgrund der alten Geschichten könnte eine politische Karriere in der Bretagne jederzeit gefährdet sein.«
    »Auch das ist absurd.«
    »Sie haben in den folgenden Jahren eine ziemlich steile Karriere gemacht.«
    »Monsieur le

Weitere Kostenlose Bücher