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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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jemanden erwartete und wer es war. Zu Dupins Überraschung stellte keiner der beiden eine Frage, sie unternahmen nicht einmal indirekt einen Versuch, etwas aus Dupin herauszubekommen, auch Kadeg nicht, er wirkte jetzt seltsam aufgeräumt. Nolwenn musste ein paar Worte mit ihnen gewechselt haben, Dupin fiel keine andere Erklärung ein, er fragte auch nicht. Niemand wusste so sehr wie Nolwenn, dass man ihn, wenn es Ernst wurde, einfach lassen musste, er war so. Vielleicht war es auch einfach die beruhigende Wirkung des Essens und des Rotweins.
    Riwal berichtete von seinem Besuch bei dem Frisör am Hafen, der Pennec Montagnachmittag noch die Haare geschnitten hatte. Dass der Frisör, Monsieur Houarvian, gelacht habe bei der Frage, worüber sie geredet hatten – sie hätten sehr wenig geredet. Sie hätten immer sehr wenig geredet und auch an diesem Montag. Pennec sei mit Papieren beschäftigt gewesen, Monsieur Houarvian hatte keine Ahnung, was für Papiere das gewesen seien. Kadeg schwieg während Riwals Bericht und begann dann mit wenig Energie seine Ergebnisse vorzutragen. Die Telefonlisten waren nun fast ganz abgearbeitet. Das war wichtig. Dupin würde sie sich morgen ansehen. Er war jetzt nicht bei der Sache. Und hatte sehr viel gegessen.
    Kurz vor zehn traf der Polizeiwagen ein. Dupin war nach dem Essen noch einmal allein in die Bar gegangen. Wieder war es vollkommen still gewesen, obgleich jetzt draußen auf dem Platz viel los war. Er schrak zusammen, als es klopfte. Er hatte nicht abgeschlossen. Riwal trat herein.
    »Die Professorin aus Brest ist angekommen, Monsieur le Commissaire. Marie Morgane Cassel. Wir haben sie oben in das Besprechungszimmer gebracht.«
    »Nein, nein, sie soll hier runterkommen.«
    »Hierhin? An den Tatort?«
    »Genau.«
    »Wie Sie wünschen. Nolwenn hat alles organisiert für Madame Cassel. Es ist ein Zimmer für sie hier im Hotel reserviert.«
    »Sehr gut.«
    »Und eben haben die Kollegen endlich Kommissar Dercap erreicht. Das war nicht einfach. Er sitzt irgendwo in den Bergen und hat so gut wie keinen Empfang. Sie haben ihn kaum verstanden, das Gespräch war ständig unterbrochen.«
    »In den Bergen? Ich dachte, er ist auf La Réunion.«
    »Die machen nach der Hochzeit eine Bergtour, hinauf zum Piton des Neiges. Ein Vulkan. Der höchste Berg im Indischen Ozean. Sie werden übermorgen zurück in Saint-Denis sein.«
    »Was machen die nach der Hochzeit auf einem Vulkan?« Dupin seufzte. »Was soll’s. Wir kommen ohne Dercap klar.«
    So war es jetzt eben. Es lag ihm noch kurz auf der Zunge, zu fragen, warum Riwal sich so auskannte mit Vulkanen auf Inseln vor Afrika. Er ließ es.
    »Das denke ich auch, Monsieur le Commissaire. Ich hole jetzt die Professorin.«
    Eine Minute später stand Madame Cassel in der Tür. Sie war wirklich jung für eine Professorin. Er schätzte sie auf Mitte dreißig. Lange, anscheinend schwer zu bändigende schwarzbraune Haare, blitzende blaue Augen, ein auffälliger Mund, schlank. Ein dunkelblaues, figurbetontes Kleid.
    Sie blieb im Türrahmen stehen.
    »Bonsoir Madame, ich bin Georges Dupin, der Kommissar, der mit dem Mordfall an Pierre-Louis Pennec befasst ist. Sie haben vielleicht davon gehört. Und ich hoffe, meine Kollegen haben Ihnen schon ein wenig erzählt, worum es geht.«
    Dupin ärgerte sich, es war ja Blödsinn, was er gerade sagte.
    »Eigentlich weiß ich noch gar nichts. Die beiden freundlichen Polizisten, die mich hergebracht haben, sagten, sie wüssten selbst nichts. Und ihre Mitarbeiterin konnte mir lediglich sagen, dass es um den Mordfall an dem Hotelier geht, von dem in jeder Zeitung zu lesen war. Dass ich eventuell in einem Punkt helfen könnte. Sie würden mir dann vor Ort sagen, wie genau.«
    Dupin war froh, dass er heute keine Zeitung gelesen hatte.
    »Es tut mit leid. Das ist mein Fehler. Es ist sehr unhöflich, Sie einfach so in einen Polizeiwagen setzen zu lassen, ohne Ihnen auch nur ungefähr zu sagen, worum es geht. Und sehr freundlich von Ihnen, dennoch einzusteigen und herzukommen.«
    Auf Marie Morgane Cassels Gesicht war ein leichtes Lächeln zu sehen.
    »Und worum geht es, Monsieur le Commissaire? Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich habe eine Theorie. Vielleicht ist sie abstrus.«
    Madame Cassel lächelte jetzt ganz offen.
    »Und da kann ich helfen?«
    Jetzt musste Dupin lächeln.
    »Das können Sie, denke ich.«
    »Gut. Fangen wir an.«
    »Gut. Ja.«
    Marie Morgane Cassel stand immer noch im Türrahmen.
    »Kommen Sie herein. Ich

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