Bretonische Verhältnisse
– ich weiß nicht, was Sie meinen. Was kann ich Ihnen …«
Sie brach ab, in ihrem Gesicht und ihrer Haltung zeigte sich Resignation. Erst langsam blickte sie Dupin wieder in die Augen.
»Sie wissen es, nicht wahr? Sie wissen es.«
Sie brach fast in Tränen aus, für einen Augenblick schien sie Gefahr zu laufen, vollkommen die Fassung zu verlieren.
»Ja.«
»Das wäre Monsieur Pennec alles nicht recht. Er wäre zutiefst unglücklich. Er wollte nicht, dass jemand von dem Bild wusste.«
»Madame Lajoux, wir sprechen über vierzig Millionen Euro. Über den wahrscheinlichen Grund, warum Pierre-Louis Pennec ermordet wurde.«
»Sie irren sich«, ihre Stimme klang jetzt erbost, »wir sprechen nicht über vierzig Millionen Euro – wir sprechen über den absoluten und letzten Willen eines Verstorbenen, Monsieur le Commissaire. Dass das Bild hier sicher hängt, ohne dass jemand davon weiß – es gehört dem Hotel und seiner Geschichte …«
»Er wollte das Bild dem Musée d’Orsay als Schenkung übergeben. In der nächsten Woche. Mit einer Schenkungstafel, die die Geschichte des Bildes öffentlich machen würde.«
Madame Lajoux blickte Dupin vollends entgeistert an. Entweder war sie eine extrem gute Schauspielerin oder es brach ein tiefer Affekt durch.
»Was? Was wollte er?«
»Das Bild dem Musée d’Orsay übergeben. Er hatte sich letzte Woche an das Museum gewandt.«
»Das ist – das ist …«
Sie brach ab.
»Ja?«
Ihre Züge erstarrten.
»Nichts – es ist gar nichts. Wenn Sie das sicher wissen. Dann sollte man befolgen, was er für das Richtige hielt.«
»Ihnen scheint das, wie soll ich sagen, nicht adäquat?«
»Was?«
»Das mit dem Museum. Die Schenkung.«
»Doch. Doch. Es ist nur – ach, ich weiß es nicht. Das war irgendwie die geheime Mitte von allem. Das ist alles merkwürdig. Ganz falsch. Ich weiß nicht.«
»Seit wann wissen Sie von dem Bild?«
»Seit fünfunddreißig Jahren. Monsieur Pennec hat mich früh eingeweiht. In meinem dritten Jahr.«
»Wer weiß noch von dem Bild?«
»Niemand. Nur Beauvois. Sein Sohn natürlich. Wissen Sie, Monsieur Beauvois war der Kunstexperte für Monsieur Pennec, Pierre-Louis hat ihn bei allem um Rat gefragt, was mit der Malerei zu tun hatte. Das habe ich ja schon gesagt. Monsieur Beauvois hat ihn auch bei den Umbauten hier beraten, die ganzen Fragen mit der Klimatisierung. Damit es die besten Bedingungen hatte. Ein sehr aufrechter Mann. Mit hohen Idealen. Ihm liegt das alles hier am Herzen. Die ganze Tradition. Nicht wegen dem Geld. Das wusste Monsieur Pennec.«
»Und warum hat Monsieur Pennec den Gauguin die ganzen Jahre hier hängen lassen?«
»Warum?«
Madame Lajoux blickte entsetzt, als sei auch dies eine ungebührliche Frage.
»Marie-Jeanne Pennec hat ihn dort aufgehängt. O ja. Der Gauguin hat immer dort gehangen. Er gehört dahin. Pierre-Louis konnte ihn jeden Abend sehen, wenn er an der Bar war. Er verkörpert das ganze Vermächtnis. Nie im Leben wäre Pierre-Louis auf die Idee gekommen, es anders zu halten! Ihn aus dem Hotel zu entfernen. Nie im Leben. Und hier, hier war er am sichersten.«
Dupin hatte keine andere Antwort erwartet. Und Madame Lajoux hatte, so merkwürdig es klang, vermutlich recht. Es war, jenseits der sentimentalen Motive, vielleicht wirklich einer der unauffälligsten Plätze für einen solchen Besitz.
»Und sonst, wer wusste sonst noch von dem Bild?«
»Sein Halbbruder. Ja. Ich weiß nicht, ob er sich Delon anvertraut hat, ich glaube nicht. Es war ein richtiges Geheimnis.«
Dupin hätte beinahe lachen müssen; das war sehr komisch. Pierre-Louis’ Sohn, seine Schwiegertochter, André Pennec, Beauvois, Madame Lajoux – und der Maler, der die Kopie angefertigt hatte, die jetzt hier hing, Delon vielleicht – das hieß, dass es im engsten Kreis um Pierre-Louis Pennec alle gewusst hatten. Und dann noch Charles Sauré.
»Mindestens sieben Personen, vielleicht acht haben von dem Bild gewusst. Von den vierzig Millionen Euro. Die meisten davon konnten die vierzig Millionen jeden Tag hier hängen sehen.«
»Das klingt sehr brutal, wie Sie das sagen. Als hätte einer von diesen Menschen Pierre-Louis ermordet – denken Sie das?« Madame Lajoux wirkte wieder beinahe empört.
»Und wer weiß, wem diese es erzählt haben, im Vertrauen – wer weiß, wer es noch alles wusste.«
Madame Lajoux blickte Dupin traurig an. Aber auch mit einem Funken Argwohn.
»Sie sollten die Art respektieren, wie Pierre-Louis Pennec mit diesem
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