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Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Riwal realisierten, was sie sahen. Riwal murmelte leise, er war fast nicht zu verstehen:
    »Ich habe es gewusst.« Und dann nach einer kleinen Pause: »Vierzig Millionen Euro.«
    Aber ehe einer der beiden noch etwas sagen konnte, griff Beauvois nach einem der Messer, das in einem wilden Durcheinander aus dicken Bleistiften, unterschiedlichsten Pinseln, Schabern und anderen Malutensilien lag – und stach es in das vor ihnen liegende Bild. Dupin versuchte im letzten Moment Beauvois’ Arm festzuhalten. Aber es war zu spät. Das Ganze hatte sich in einer absurden Geschwindigkeit abgespielt.
    Beauvois schnitt – mit Geschick – ein kleines Viereck aus dem Bild heraus. Dann hielt er das Stück Leinwand hoch, gegen das grelle Licht.
    »Gilbert Sonnheim. Eine Kopie. Sehen Sie? Ein unbedeutender Maler aus der Künstlerkolonie, aus Lille, minder begabt, ein Synkretist. Aber ein guter Kopist, das ist, beim Teutates, eine exzellente Arbeit.«
    Beauvois agierte wie aufgeputscht.
    Dupins Gedanken rasten in ungeheurer Geschwindigkeit, sie sprangen hin und her – ihm war schwindelig. Beauvois hielt das Stück Leinwand wie beschwörend zur Decke, seine Augen blitzten.
    Dupin fand als Erster die Sprache wieder.
    »Sie haben eine Kopie durch eine Kopie ersetzt. Ich meine – Sie wollten das Bild stehlen und durch Ihre Kopie ersetzen, sodass es niemand bemerken würde. Aber es war schon gestohlen worden – es war schon ersetzt worden durch eine Kopie. Es gibt zwei Kopien.«
    Die Verwirrung auf Riwals Gesicht schien durch Dupins Worte für einige Momente noch größer geworden zu sein – dann entspannten sich seine Züge mit einem Mal.
    Beauvois legte das Stück Leinwand mit pedantischer Genauigkeit zurück in das Bild.
    »Ich habe es gerne getan, mit Stolz, ja.«
    In seiner Stimme lag ein selbstgefälliges, lächerliches Pathos.
    »Pierre-Louis Pennec wäre mit meiner Tat ganz einverstanden gewesen, er hätte sie begrüßt. Er hätte sich im Grabe umgedreht, wenn sein Sohn das Bild geerbt hätte – geerbt und bei der nächsten Gelegenheit verkauft. Sein Sohn hat doch nur auf diesen Augenblick gewartet. Er hat immer nur auf den Tod seines Vaters gewartet, sein Leben lang! Pierre-Louis Pennec lag das Museum am Herzen. Ihm war das alles hier sehr wichtig, Pont Aven, seine Geschichte, die Künstlerkolonie. Jawohl!«
    »Sie waren es, der in der Nacht nach dem Mord in das Hotel eingebrochen ist. Sie haben das Bild ausgetauscht. Die Kopie aufgehängt«, Riwal setzte kurz ab, »Sie haben Ihre Kopie aufgehängt und die andere Kopie, die schon hing, mitgenommen. Das ist das Bild, das hier liegt, das Sie zerschnitten haben…«
    »Sehr wohl, Inspektor. Ich habe mich düpieren lassen. Ich, Frédéric Beauvois! Aber es war dunkel, fast ganz dunkel im Restaurant, ich hatte nur eine kleine Taschenlampe – und es ist eine ausgezeichnete Kopie. Nicht so gut wie mein Bild, wenn ich das sagen darf. Oben, das Geäst, da stimmen die Striche nicht in allem.«
    »Wann haben Sie Ihre Kopie angefertigt?«
    Dupins Stimme war vollkommen ruhig, sein Gesicht konzentriert.
    »Oh. Vor Jahrzehnten schon. Vor fast drei Jahrzehnten. Nachdem mich Pennec ins Vertrauen gezogen hatte. Ich bin sein Experte geworden. Wissen Sie, er war ein Hotelier, kein Kunstwissenschaftler, kein Kunsthistoriker. Nein. Aber er hatte ein gewaltiges künstlerisches und kunstgeschichtliches Erbe zu pflegen; das Hotel, ja und das exzeptionelle Bild. Ein Wunder. Es ist Gauguins kühnstes Bild, glauben Sie mir, es übertrifft alle anderen an Wagemut. Ich meine das nicht …«
    »Und warum haben Sie diese Kopie angefertigt?«
    »Ich wollte es studieren. Aus Bewunderung. Aus purer Faszination. Ich habe es fotografiert und dann gemalt. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen das gesagt habe: Das Malen ist meine große Passion, schon immer gewesen. Ich kenne meine Grenzen, aber über eine gewisse Begabung verfüge ich durchaus. Ich …«
    »Und Ihre Signatur in dem Bild, das war der Stolz des Künstlers?«
    »Eine jugendliche Flause, ja. Eine kleine Eitelkeit.«
    Das war plausibel, dachte Dupin. Alles war plausibel, so abstrus es klang – und war.
    »Wusste Pierre-Louis Pennec von dieser Kopie?«
    »Nein.«
    »Wusste irgendjemand von dieser Kopie?«
    »Nein. Ich habe sie bei mir aufbewahrt, die ganzen Jahre. Nur ich selbst habe sie mir immer wieder angesehen. Um Gauguin zu sehen. Die fantastische Kraft dieses Bildes, den unendlich großen Geist. Es sprengt alles.«
    »Wussten Sie, dass es eine weitere

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