Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bretonische Verhältnisse

Bretonische Verhältnisse

Titel: Bretonische Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
Vom Netzwerk:
verschiedenen Ecken zu gelangen – so weit es ging. Dieselben Schwierigkeiten hätte auch derjenige gehabt, der das Bild hier hätte verstecken wollen. Das war nicht sehr plausibel.
    »Ich komme raus.«
    Die Resignation nahm Dupin die Kraft zum Schreien. Nichts. Wieder nichts.
    Er kletterte den Weg zurück. Kurz vor der Tür fiel der Lichtkegel auf den hinteren Teil der Badewanne, der wie abgetrennt war durch einen dicken Pfosten, der quer über der Wanne lag. Dupin erkannte eine Decke oder ein Tuch. Einen weißen Stoff. Mit bedachten Bewegungen stieg er über den weit in den Raum ragenden Pfosten. Es schien ein Laken zu sein. Ganz sauber. Er stand jetzt neben der Wanne. Vorsichtig fühlte er. Unter dem Laken war etwas Weiches, dann etwas Hartes, Kantiges, Schmales. Es war groß. Mit der rechten Hand tastete er nach dem Saum des Lakens und wollte es aufschlagen. Es ging nicht.
    »Riwal?«
    »Ja.«
    »Ich brauche Sie.«
    »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Kommen Sie rein.«
    Riwal versuchte noch einmal, die Tür etwas weiter zu öffnen, vergeblich.
    »Ich leuchte Ihnen, Riwal. Ich bin nahe der Tür, aber Sie müssen zuerst zur Mitte des Schuppens und dann zu mir.«
    Geschickt fand Riwal seinen Weg zu Dupin.
    »Halten Sie die Lampe, ich will das nehmen.«
    Riwal leuchtete. Behutsam hob Dupin den Gegenstand hoch. Es war genau das richtige Format. Das musste es sein. Dupin war ganz ruhig geworden.
    »Sie gehen voraus.«
    Dicht hintereinander arbeiteten sie sich Richtung Tür vor. Marie Morgane Cassel beobachtete die eigentümliche Prozession, ihr Kopf lugte weit durch die Spalte in den Schuppen hinein. Sie erreichten den Ausgang.
    »Sie zwängen sich durch, Riwal, ich reiche es Ihnen dann.«
    Als Dupin heraustrat, musste er sich einen Augenblick die Augen zuhalten. Die Sonne stand fast noch im Zenit, es war blendend hell. Langsam öffnete er seine Augen. Riwal hatte den umhüllten Gegenstand neben den Weg auf die Wiese gelegt. Ohne ein Wort zu sagen, knieten sich alle drei daneben. Als Dupin das weiße Laken aufschlug, gab es eine dicke dunkelblaue Wolldecke frei. Dupin schlug auch sie sachte auf.
    Selbst in der vollen Sonne knallte ihnen das grelle Orange entgegen.
    Dupin legte das ganze Bild frei. Es war unversehrt. Alle drei starrten auf den Gauguin und schwiegen. Die Wirkung des Bildes war atemberaubend.
    Marie Morgane Cassel löste sich als Erste.
    »Es muss aus der Sonne.«
    »Können Sie schon etwas sagen, Madame Cassel?«
    Dupin wusste, dass es eine blöde Frage war, sie hatte es wie er gerade erst gesehen.
    »Ich muss es mir genau ansehen, mit meinen Geräten. Ich weiß nicht, ich meine, das könnte es sein.«
    Sie sprach wie abwesend.
    »Legen wir es behutsam in meinen Kofferraum. Da können Sie es sich genauer ansehen. Und Riwal: Sie gehen um das Wäldchen herum und postieren sich so, dass Sie den Weg überschauen können.«
    Er setzte kurz ab. »Und nehmen Sie Ihre Waffe mit.«
    Riwal schaute einen Moment irritiert. Auch Madame Cassel blickte verstört zu Dupin.
    »Soll ich Verstärkung holen?«
    In Riwals Stimme lag eine kleine Beunruhigung.
    »Nein. Sichern Sie einfach den Weg. Passen Sie auf, dass Sie nicht zu sehen sind! Kommen Sie, Madame Cassel.«
    Dupin nahm das Gemälde und trug es langsam zu seinem Wagen. Madame Cassel überholte ihn und hatte schon den Kofferraum geöffnet, als er dort ankam. Dupin legte das Bild vorsichtig hinein.
    »Ich hole meine Sachen.«
    Madame Cassel ging zu Riwals Wagen, öffnete die Tür auf der Beifahrerseite und nahm eine größere Tasche vom Rücksitz. Sie kam zu Dupin zurück.
    »Ich brauche mein Stereomikroskop.«
    Sie holte ein kompliziert aussehendes Gerät hervor, schaltete es ein und beugte sich tief in den Kofferraum hinein.
    »Es wird ein wenig dauern – und einen definitiven Bescheid werde ich Ihnen womöglich nicht geben können. Nur eine erste Einschätzung.«
    »Das genügt mir vollkommen. Ich lasse Sie in Ruhe arbeiten.«
    Riwal war, mit seiner Waffe, bis zur Weggabelung hinter dem kleinen Wäldchen gelaufen und dann hinter den Bäumen verschwunden.
    Dupin musste nachdenken. Er ging noch einmal zum Eingang des Schuppens und von dort Richtung Meer, von dem zwischen Hügeln und Bäumen immer wieder Stücke zu sehen waren. Jetzt erst bemerkte er, wie dreckig er war. Der Schuppen war unfassbar staubig gewesen. Er würde den Geruch den ganzen Tag in der Nase haben. Vergeblich versuchte er den Staub von den Kleidern abzuklopfen. Er war noch nicht weit, als er

Weitere Kostenlose Bücher