Bretonische Verhältnisse
verlassen hatten.
Dupin fuhr bis zur »Buvette«, wie Nolwenn es beschrieben hatte, dann auf der kleinen Straße parallel zum Meer und bei der ersten Abzweigung rechts in den Feldweg. In Schrittgeschwindigkeit fuhren sie den holprigen Weg entlang, nach einem kleinen Wäldchen machte der Weg eine scharfe Biegung nach rechts.
Wie aus dem Nichts, direkt vor ihnen und direkt auf dem Weg stand plötzlich der Schuppen. Das hier war wirklich ein Verschlag, verwittertes Holz, ein hässliches Wellblechdach, nicht groß, ein paar Meter nur in der Länge und Breite. Dupin fuhr nahe an den Schuppen heran. Sie schalteten die Motoren ab.
Dupin stieg aus und ging zuerst auf Riwals Wagen zu.
»Bonjour Madame Cassel. Ich möchte Ihnen noch einmal danken, dass Sie sich wieder …«
»Hier – Sie denken, hier befindet sich der Gauguin? Ein Vierzig-Millionen-Bild. In diesem Schuppen?«
Sie war aufgeregt.
»Wenn wir das Bild fänden, könnten Sie mir eine erste, vorläufige Bestätigung der Echtheit geben. Das wäre sehr wichtig für uns. Und Sie …«
»Niemand wird hier ein so wertvolles Bild aufbewahren.«
»Aber vielleicht vorübergehend verstecken. Für eine kurze Zeit.«
»Wie kommen Sie auf die Idee, dass das Bild hier sein könnte? Ich meine, wie kommen Sie auf diesen Ort?«
Dupin kam es jetzt selbst ein wenig komisch vor. Es war nur ein Verdacht, und er hatte so viel in Bewegung gesetzt.
»Eine längere Geschichte.«
»Lassen Sie uns den Schuppen durchsuchen, Monsieur le Commissaire.«
Auch Riwal war nun ungeduldig.
Die Tür befand sich seltsamerweise genau auf der anderen Seite des Schuppens, sie gingen rasch um ihn herum. Sie war mit einem dicken Vorhängeschloss gesichert, das weder erkennbar neu noch alt aussah. Die kleine Fensterscheibe neben der Tür war abgeklebt. Noch bevor Dupin etwas sagen konnte, kramte Riwal in seiner Tasche und zog einen dünnen Draht hervor. Dupin vergaß immer Riwals zuweilen fast magisches praktisches Geschick. Auch Madame Cassel schaute Riwal mit Bewunderung zu. Es dauerte keine halbe Minute, und das Schloss war auf. Großartig.
»Ich gehe hinein. Riwal, Sie bleiben hier bei Madame Cassel.«
Die schmale, niedrige Tür war schwer zu öffnen, sie klemmte und hing über dem unebenen Boden fest. Mit Mühe kriegte Dupin sie einen Spalt auf. Im Schuppen war es vollständig dunkel, nur das Licht des Türspalts fiel hinein, kam aber nicht weit.
»Ich hole Ihnen eine Taschenlampe.«
Riwal war schon auf dem Weg zu seinem Wagen. Madame Cassel und Dupin versuchten durch den Spalt zumindest etwas von den Dingen nahe der Tür zu erkennen. Der Schuppen schien bis zur Decke vollgestopft, direkt neben der Tür waren leere Kanister aufgetürmt, landwirtschaftliche Geräte waren zu sehen, zwei große Tonnen, eine alte Badewanne. Einen Moment später stand Riwal mit der Taschenlampe neben ihnen. Sie war riesig.
»Eine Ledlenser X21.«
Riwals Augen strahlten kurz auf. Dupin zuckte mit den Schultern und schaltete sie an. Behände zwängte er sich durch den Türspalt und bahnte sich einen Weg in den Schuppen. Es war eher ein Klettern. Hier im Innern war es stockduster. Die Taschenlampe warf einen scharf gerandeten, extrem hellen Lichtkegel auf die Dinge. Ein großer alter, vollkommen verrosteter Pflug, auf dem in gefährlicher Weise mehrere alte Holzstühle aufgebaut waren, denen alles Mögliche fehlte: mal die Lehne, mal ein Bein, mal die Sitzfläche. Wieder Kanister in verschiedenen Größen. Der Lichtkegel tanzte wild umher, während Dupin sich bewegte. Er war beeindruckt, was in einem Schuppen dieser Größe alles Platz fand, es wirkte, als hätte man über Jahrzehnte immer wieder noch etwas hineingepresst, gestapelt und gestopft, so chaotisch wie kunstvoll.
Dupin hatte es irgendwie geschafft, in die Mitte des Raums vorzudringen, und stand nun still da. Ein scharfer, stechender Geruch lag in der Luft. Eklig. Dupin drehte sich langsam um die eigene Achse und wanderte den Raum systematisch mit der Taschenlampe ab.
»Monsieur le Commissaire?«
Es waren nur ein paar Meter, aber Riwals Stimme klang weit entfernt, gedämpft.
»Alles okay hier.«
»Etwas gefunden?«
»Nein.«
Dupin bahnte sich einen Weg zur gegenüberliegenden Wand, es sah nicht so aus, als wäre hier etwas in letzter Zeit verändert worden. Der Staub lag zentimeterdick.
»Hier ist nichts.«
Dupin musste schreien, damit sie ihn verstanden. Er bewegte sich wieder in die Mitte zurück und versuchte von hier aus in die
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