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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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Plakatständer einen kräftigen Tritt.
    »Okay«, sagte Lila. »Wir machen erst das Unkraut weg, schütten dann ein bisschen Erde auf und setzen die Pflänzchen. Nur ein paar an jedem Baum.«
    Das klang nach Arbeit. Wir bückten uns und begannen, das Unkraut auszureißen. Mit Lilas Stirnlampe hatten wir genügend Licht. Es nieselte in meinen Nacken. Trotzdem wurde mir warm und ich öffnete den Reißverschluss meines Anoraks. In diesem Moment begann die Erde zu beben. Radadadazong. Markerschütternder Bohrlärm, den man vermutlich in ganz Stuttgart-Süd hören konnte.
    »Besonders leise, soso«, sagte Lila. »Zum Glück müssen sie nur ein kleines Loch bohren.«
    Tatsächlich hörte der Krach nach wenigen Minuten auf. In einigen Wohnungen war Licht angegangen. Jemand schimpfte aus einem Fenster.
    »Mir brauchad a bissle Komboschd!«, brüllte Melanie quer über den Platz.
    Das war wirklich die diskreteste Guerilla-Aktion der Weltgeschichte.
    »Ich geh schon«, seufzte Lila, zog vorsichtig ein paar Primeln aus den Plastiktöpfchen und füllte die Töpfchen mit Erde. »Die kannst du ja schon mal einpflanzen.«
    Sie verschwand und ich ging in die Hocke, um ein kleines Erdhäufchen für die Primeln anzulegen. Kurz darauf hörte ich Schritte.
    »Das ging aber schnell, Lila«, sagte ich, ohne aufzusehen.
    »Nix Lila«, sagte eine männliche Stimme.
    Der Lichtkegel einer Taschenlampe glitt über meinen Körper und haftete dann auf meinem Gesicht. Ich kniff die Augen zu und das Licht verschwand.
    »Hallo, Line.«
    Ich kannte diese Stimme. Von allen Stimmen in Stuttgart war dies vermutlich die Stimme, die ich gerade jetzt am wenigsten hören wollte.
    »Interessant, was du da machst. Vielleicht möchtest du es mir erklären?«
    Ich sprang auf und mir entfuhr ein spontaner Schmerzensschrei. Vom Hinknien waren meine Beine völlig taub. Ich hüpfte auf und ab. Käuzchen. Ich musste ganz schnell ein Käuzchen imitieren, um die anderen zu warnen! Ich tat ja nichts Verbotenes. Aber das Bresslufdhämmerle … und Lena … Wie machte ein Käuzchen überhaupt?
    »Huhu, huhuuuuu!«, machte ich, so laut ich konnte. Es klang nicht besonders naturnah.
    »Ist dir schlecht?«, fragte Simon interessiert.
    »Schuhuuuh, schuhuuh!«, rief ich noch einmal ganz laut.
    Das klang vielleicht nicht wie ein Käuzchen, aber so blöd waren die anderen ja auch nicht, um nicht zu kapieren, was gemeint war.
    »Line, du machst es mir wirklich nicht leicht«, klagte Simon. »Du stehst hier mitten in der Nacht im Nieselregen auf dem Marienplatz, hopst wild herum und machst Geräusche wie das ›Kleine Gespenst‹ auf der Langspielplatte, die ich als Fünfjähriger von meinem großen Bruder geerbt habe. Vielleicht könntest du versuchen, ein paar normale Sätze zu sagen? Sonst muss ich dich wegen Unzurechnungsfähigkeit mit aufs Revier nehmen. Und das möchtest du sicher nicht, oder?«
    »Hallo, Simon«, sagte ich. »Normale Sätze. Kein Problem. Wieso ist deine Hose nicht mehr grün?«
    »Modellversuch für die neue Uniform. Wir tragen jetzt Blau.«
    »Bist du zufällig vorbeigekommen? Krankheitsvertretung Polizeirevier Marienplatz?«
    »Wir sind mal wieder unterbesetzt. Die Kollegen von Mitte haben Verstärkung angefordert. Eigentlich sind wir auf dem Weg zum Bärensee. Angeblich versucht dort jemand, den Riesenbiber 13 abzuknallen. Wir wollten grade in den Heslacher Tunnel einbiegen, als wir seltsame Vorgänge auf dem Marienplatz bemerkt haben. Komische Geräusche. Seehr laut. Wie ein Presslufthammer. Du weißt nicht zufällig etwas darüber?«
    »Nein«, sagte ich so unschuldig, wie ich nur konnte. »Ich pflanze nur ein paar Blümchen. Primelchen, Stiefmütterchen, Schneeglöckchen. Das ist doch nicht verboten, oder?«
    Steinchen knirschten. Eine zweite Taschenlampe leuchtete mir ins Gesicht und auf die Brust.
    »Sie mal wieder! Guerilla Gardening Group. Was soll das denn sein?«, sagte eine weibliche Stimme in harschem Ton. »Das klingt militant! Sicher können Sie uns auch verraten, wer den Hanfbusch mitten auf den Marienplatz gesetzt hat?«
    Ich leuchtete die Frau kurz an. Irgendwie wurde an diesem Abend ziemlich viel hin- und hergeleuchtet. Es war das Polizisten-Engelchen, das bei Breuninger ein Team mit Simon gebildet hatte. Mist. Simon hätte sicher ein Auge zugedrückt. Das Engelchen dagegen …
    »Nein, tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß nichts davon. Ich bin alleine hier und kein bisschen militant. Ich pflanze nur, um unseren schönen

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