Brezeltango
ließ immer und immer wieder das Wasser laufen. Auch wenn Hochsommer war, graute mir vor dem kalten Wasser. Ich würde noch ein bisschen weiterduschen. Es war ja auch ganz unterhaltsam.
»’s Wetter soll schee bleiba, se hen’s brochd!«, sagte eine alte Frau, die einer anderen mit einem Puschelschwamm energisch den Rücken abschrubbte. Eine verzweifelte Mutter versuchte, ihrer brüllenden kleinen Tochter die Haare zu waschen. Ich drückte noch einmal auf den Knopf. Zum Schwimmen war immer noch genug Zeit. Andererseits waren 9,80 Euro Eintritt auch ein bisschen viel, um nur zu duschen.
In der Schwimmhalle war es angenehm warm und ich warf einen neidischen Blick auf das Liegebecken, in dem sich Menschen mit geschlossenen Augen wohlig entspannten. Warum konnten wir dort nicht einfach ein bisschen kuscheln? Wozu hatte ich endlich einen Freund? Ich war sowieso eine lausige Schwimmerin und fühlte mich in meinem morschen alten Badeanzug, der vor langer Zeit einmal sonnengelb gewesen war, ziemlich unwohl. In der Kaltbadehalle (brrrrr!) fand ich schließlich den Zugang zu den Außenbecken und stieg durch einen Plastikvorhang schaudernd ins Wasser.
Sommer hin oder her – das war ja noch grauenhafter als erwartet! Ich hängte mich an den Beckenrand und scannte die Schwimmer. Es war ziemlich voll. Endlich hatte ich Leon entdeckt und sah fasziniert zu, wie er mit eleganten Bewegungen durchs Becken kraulte. Wow. Was für eine Sportskanone! Ich winkte ausgiebig, damit alle sehen konnten, dass Leon zu mir gehörte. Leon reagierte nicht. Nach ein paar Bahnen tauchte er vor mir auf. Mit der schwarzen Schwimmbrille erinnerte er mich an einen Brillenpinguin in der Wilhelma.
»Da bist du ja endlich! Ist das Wasser nicht herrlich?«
»Mir ist kalt.«
»Kein Wunder, du bewegst dich ja auch nicht.« Leon warf sich dynamisch wieder in die Fluten.
Ich schwamm ein bisschen auf und ab. Das Wasser prickelte auf der Haut, als würde man in einer Flasche Mineralwasser baden. Dann blieb ich eine Weile am Beckenrand hängen und betrachtete das bunte Treiben im Kinderbecken und auf der Liegewiese. Familien kampierten auf dem Gras, ein paar ältere Männer mit lederner Haut spielten Tischtennis. Ich konnte auch das halb fertige Riesenrad auf der anderen Seite des Neckars sehen. Das Klöng-klöng der Aufbauarbeiten für das Cannstatter Volksfest wehte herüber. Als mir die Guckerei langweilig wurde, tauchte ich unter, um die Perspektive zu wechseln. Es war interessant, die Bademode und die Schwimmstile zu betrachten. Manche Männer trugen eng anliegende Höschen, meist die, die es sich fettmäßig nicht leisten konnten. Eine Frau paddelte wie ein Frosch. Die mageren Beine eines Mannes aus dem Jahrgang von Johannes Heesters wurden von hauchdünnen Boxershorts umweht. Er machte einen Schwimmzug, die Hose schwebte wie von Geisterhand zurück und gab ein sattes Stück seines Hinterteils frei, um dann beim nächsten Zug wieder an ihren Platz zu rutschen und züchtig sein »Hendergwardier« 3 zu bedecken.
Plötzlich tauchte ein muskulöser Typ mit einem riesigen AC/DC-Tattoo auf, das nahezu seinen ganzen Rücken bedeckte. Ich schwamm eine ganze Weile hinter ihm her. Dann kam ein sexy Hintern in mein Blickfeld. Diesen Hintern kannte ich ziemlich gut. Prustend tauchte ich auf.
»Machst du bei einem Tauchwettbewerb mit?«, fragte Leon.
»Nein. Ich versuche nur, mir etwas von der Technik abzugucken.«
»Der Typ mit dem Tattoo, dem du die ganze Zeit hinterhergeschwommen bist, hat eine ziemlich miese Technik«, sagte Leon. »Selbst meine Tante Anke aus Blankenese hat einen besseren Stil.«
»Aber er hat ein tolles Tattoo. Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Ich finde, deine Technik ist nicht die Schlechteste.« Den letzten Satz flüsterte ich in Leons feuchtes Ohr.
Leon grinste, dann entfernte er sich mit raschen Kraulbewegungen.
Na gut. Ich würde meinen guten Willen zeigen und jetzt endlich ein paar Bahnen brustschwimmen. Etwas anderes konnte ich sowieso nicht. Links und rechts zogen sportliche Schwimmer an mir vorbei, sodass mir nur der Platz in der Mitte des Beckens blieb, der wiederum von zwei schnatternden älteren Frauen besetzt war, die gemächlich vor mir nebeneinander herschwammen. Prima. Das war genau mein Tempo.
»… on noo säh i doo a jonge Frau on i han denkt, i säh net rechd. Mit eme Oimerle en dr Hand on des isch scho halb voll gwä. On noo sag i, also i sag, saget Se amol, zo wem gheret denn Sie? Also des isch mir ja en
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