Brezeltango
ein winziges freies Plätzchen auf der dritten Stufe und kletterte selber in die andere Ecke. Ich stieg über Handtücher und klemmte mich auf den freien Platz. Obwohl es nun eigentlich rappelvoll war, kamen immer noch Leute und quetschten sich dazu. Es war heiß. Sehr heiß.
Ich sah mich interessiert um. Die Bäuche waren insgesamt sehr beeindruckend. Es gab ganz eindeutig mehr dicke männliche als dicke weibliche Bäuche. Ob es wohl daran lag, dass viel mehr Männer als Frauen in der Sauna waren? Bei manchen Männern hing der Bauch wie ein fetter Lappen auf den Oberschenkeln. Sahen Nashörner nicht ähnlich aus? Grundsätzlich neigte der Mann an sich ja mehr zur Bauchbildung, war aber im Bauch-Beine-Po-Kurs an der VHS wiederum deutlich unterrepräsentiert. Hmm. Es würde ein Rätsel bleiben. Der Schweiß meines beleibten Nachbarn tropfte auf mein Handtuch. Weil es so eng war, konnte ich nicht wegrücken. Ich meine, dass es in der Sauna heiß sein musste, gut und schön, aber man konnte es auch übertreiben! Zum Glück kam dann ein Typ in einem kurzen Höschen mit einem Handtuch über der Schulter und ließ die Tür offenstehen. Er wurde freudig begrüßt. Er begann wild mit dem Handtuch herumzuwedeln. Leider schloss er dann die Tür wieder und goss mit einer Kelle Wasser auf die Steine. Es wurde noch heißer. Der Typ begann, die Hitze mit dem Handtuch reihum flapp-flapp über die Leute zu verteilen. Die reckten ihre Arme in die Höhe wie beim Hip-Hop-Konzert und machten »Aaaaah« und »Ooooh«.
Weil ich nicht als Aufguss-Greenhorn auffallen wollte, tat ich es ihnen nach. Wusch. Eine gewaltige Hitzewelle floss über mich hinweg. Death Valley, zweihundert Grad. Wo war die nächste Wasserstelle? Alles verschwamm. Bloß raus hier!
Mit zitternden Knien stand ich auf, und weil mir so schwummrig war, musste ich mich kurz auf der schweißnassen Schulter des dicken Nachbarn abstützen. Ich kletterte über Handtücher und feuchte Oberschenkel, rief Leon zu: »Alles in Ordnung, bleib ruhig hier!«, und stürzte an dem Aufguss-Mann hinaus ins Freie. Luft!
Ich stützte mich an der Blockhaus-Balustrade ab. Die frische Luft wirkte Wunder. Ich fühlte mich gleich viel besser. In dem Innenhof standen ein paar Männer, rieben sich mit Eis ab und musterten mich völlig ungeniert von oben bis unten.
Ich ging hinein, um mich unter der Dusche abzukühlen. Erst mal guckte ich, wie man das machte. Ein Mann, Typ Stiernacken, stellte gerade die eiskalte Schwalldusche an, holte tief Luft und warf sich dann darunter, wobei er sich mit ausgestreckten Armen so fest gegen die Wand stemmte, als müsste er sie vor dem Einstürzen bewahren. Dann warf er den Kopf zurück und prustete. In seinen Bewegungen lag etwas Dramatisches. Etwas Bedeutsames, über die Sauna Hinausweisendes, ich wusste nur nicht, was. Ich hätte ihm stundenlang zusehen können. Ich nahm die Dusche daneben und stellte sie auf lauwarm.
Nach kurzer Zeit tauchte Leon auf. »Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
»Klar«, sagte ich. »Das war mein erster Aufguss.«
»Line, wirklich! Das hättest du mir doch sagen müssen!«
»Ich hab mir, ehrlich gesagt, keine Gedanken darüber gemacht.«
Eine gute Stunde später war Leon glücklicherweise der Meinung, wir hätten uns genug auf den Winter vorbereitet, und wir marschierten zu den Umkleidekabinen.
»Wir treffen uns da vorne am Föhn«, sagte Leon und machte sich auf den Weg zu seinem Spind.
Ich öffnete meinen Schrank, holte Klamotten und Umhängetasche heraus und stopfte alles in die nächste freie Kabine. Nun noch die Schuhe und natürlich den blauen Chip nicht vergessen. Triumphierend dachte ich, dass der Chip normalerweise das Katastrophen-Gen aktiviert hätte. Er wäre mir in den kleinen Gully gekullert. Dass mir das nicht passiert war, zeigte ganz eindeutig, dass Leons Liebe das Katastrophen-Gen besiegt hatte. Ich wühlte in meiner Umhängetasche nach meinem Handtuch. So ein Mist! Ich hatte nichts, um mich abzutrocknen außer ein paar Tempotaschentüchern. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als Leon um das schweißgetränkte Saunatuch zu bitten, auch wenn das natürlich ein bisschen eklig war. Ich ließ die Klamotten in der Umkleidekabine hängen, die würde sowieso niemand klauen, und schloss nur die Tasche mit meinen Wertsachen wieder ein. Nun musste ich nur noch Leon finden.
»Leon?« Weit konnte er nicht sein. »Leon, ich brauche ein Handtuch. Hörst du mich?«
Keine Antwort. Ich ging ein paar Schritte
Weitere Kostenlose Bücher