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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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geschickt und bewegte sich so flink, dass man meistens nicht gleich sah, wie der Trick funktionierte. Leider war das bei mir anders. Die Karten rutschten mir aus dem Ärmel, die Becher fielen mir herunter und die Schnüre verhedderten sich. Es war hoffnungslos. Außerdem war ich nicht so süß wie Lena mit ihrer riesigen Zahnlücke.
    Lena seufzte. »Es gibt da noch so einen Trick mit einem verbrannten Geldschein. Willst du den mal probieren?«
    »Nein danke«, sagte ich. »Ich bin sowieso schon pleite.«
    Lena blätterte in der Anleitung und stieß endlich auf einen einfachen Kartentrick, bei dem es nicht um Geschicklichkeit ging. Sie ließ mich den Trick erbarmungslos wiederholen, bis er klappte.
    »Jetzt reicht’s«, sagte ich erschöpft und zog eine große Toblerone aus der Tasche.
    Lena war wie ich. Sie liebte alles, was süß, klebrig und kalorienreich war. Jetzt wurde es auch für Salo interessant. Einträchtig verspeisten wir die Schokolade.
    »Hallo, Schwägerin, was für eine Überraschung. Wo ist Katharina?« Frank stand in der Tür.
    »Bei einer Abstillparty.«
    »Was ist das denn? Ich kenne nur Scheidungspartys.«
    »Ich nehme an, man feiert, dass man nicht ständig ein nuckelndes Kind an der Brust hängen hat, sondern stattdessen ein Kind, das Karottenbrei durch die Küche spritzt, und düdelt sich einen an, weil man endlich keine Rücksicht mehr auf ebendieses Kind nehmen muss. Aber ich bin da sicher nicht die Fachfrau.«
    »Apropos … Sag mal, was macht dein Freund eigentlich?« Frank hatte sich auf Lenas Bett niedergelassen und sein Provoziergesicht aufgesetzt.
    »Der ist Ingenieur bei Bosch. Hab ich doch schon erzählt.«
    Leon hatte meine liebe Familie an Dorles Achtzigstem kennengelernt. Zwischen dem fiesen Frank und Leon hatte sich folgender Dialog abgespielt:
    »Woher kommst du?«
    »Aus Hamburg.«
    »Oh. Das tut mir leid.«
    Seither hatte ich auf weitere Gegenüberstellungen verzichtet.
    »Ja, bloß was macht er genau?«
    »Na, er ist in Schwieberdingen.«
    »Okay. Und was macht er da? Ist er Maschinenbauer? Qualitätsingenieur? Entwicklungsingenieur? Systemtechnikingenieur? Prüfingenieur? Bauingenieur?«
    »Was weiß ich denn, Ingenieur eben«, sagte ich ungeduldig.
    »Du hast also keine Ahnung, was dein Freund den ganzen Tag macht?«
    »Doch, natürlich! Er steht im Stau am Pragsattel. Er sitzt in einem Büro. Einem Großraumbüro. Mit anderen Kollegen. An einem PC. Eine Kaffeeküche gibt’s auch. Und eine Sekretärin für alle. Und die Kantine ist nicht schlecht. Ab und zu schickt er mir eine SMS. Und einmal die Woche spielt er mit seinen Kollegen Fußball. Manchmal kommen Chinesen aus Wuxi, da gibt’s auch Bosch.«
    Zum Glück war mir jetzt noch ganz schön viel eingefallen. Ich hatte tatsächlich noch nie bemerkt, dass ich nicht wusste, was Leon genau beruflich machte. Aber gegenüber Frank, der schrecklich gerne stichelte und ständig versuchte, einen in die Enge zu treiben, konnte ich das unmöglich zugeben.
    »Weißt du, wir reden über andere Dinge. Über das große Ganze, den Sinn des Lebens und so. Philosophische Themen ganz allgemein. Klimawandel. Die Relativitätstheorie. Gleiche Rechte für Schwule und Lesben. Wo geht es hin mit unserer Gesellschaft. Deutschland im Jahr 2030.«
    »Ach, tatsächlich«, sagte Frank.
    »Und jetzt muss ich gehen. Du bist ja jetzt da.«
    »Und wie läuft’s so? Jetzt, wo du endlich«, er machte eine bedeutungsvolle Pause, »einen Freund hast, meine ich.«
    Irgendwie verspürte ich plötzlich das dringende Bedürfnis, Frank ein paar Duplo-Steine ins Maul zu stopfen. Ich ignorierte ihn und wandte mich an Lena: »Darf ich die Spielkarten ausleihen? Danke, mein Schatz. Ärger’ deine Mutter nicht.«
    »Gern geschehn. Versieb’ dein Vorstellungsgespräch nicht.«
    »Ach, du hast ein Vorstellungsgespräch?«, fragte Frank.
    »Ja«, antwortete ich knapp. »Ich muss zur S-Bahn. Gruß an Katharina. Macht’s gut.«
    Auf der Rückfahrt brütete ich darüber, warum es noch keine Internet-Agenturen gab, die einem eine neue Familie verschafften. So eine Art Parship mit verschiedenen Unterrubriken wie »Mutter«, »Vater«, »Schwester«, »Schwager«. Ich würde mir aus Hunderten von Vorschlägen sofort eine neue Familie zusammenstellen. Obwohl. Lena und Dorle würde ich behalten.

5. Kapitel
    Wenn ich an einem schönen Tag
durch eine Blumenwiese geh
und kleine Bienen fliegen seh,
denk ich an eine, die ich mag
.
    Hurra, endlich Freitag! Heute Nachmittag

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