Brezeltango
weiter in den nächsten Gang. Ein Paar Füße ragte unten aus einer Umkleidekabine heraus, die Waden waren mit dichtem blondem Flaum bedeckt. Leons Füße! Warum reagierte er nicht? Ich kniete mich hin und spähte unter der Tür hindurch. Da standen ganz eindeutig Leons Outdoor-Sandalen!
»Aaaaaah!« Eine weibliche Stimme kreischte ohrenbetäubend. »A Spannerin!«
Die Tür klappte plötzlich auf und ich konnte meinen armen Kopf in letzter Sekunde in Sicherheit bringen. Vor mir stand eine nicht mehr ganz junge Frau in einem hautfarbenen Miederhöschen, das ihr knapp bis zum Knie reichte. Eine Frau mit sehr haarigen Waden, die offensichtlich das gleiche Sandalenfabrikat wie Leon trug.
Ich sprang auf. »Hören Sie, das ist ein Missverständnis, ich suche meinen Freund …«
»Des glaub i Ihne net! Wo isch der Bademeischder? Holad sofort den Bademeischder!«
Eine Putzfrau in einem weiß-blauen Leuze-Kittel bog um die Ecke. »Was isch des für Krach?«, fragte sie energisch.
»Die Frau doo hot ondr mei Kabine glotzd! On des em Leize! Doo hert sich doch älles uff! Drbei ben i Stammgaschd!«
»Bitte«, flehte ich. »Ich wollte die Frau nicht belästigen. Ich habe nur meinen Freund gesucht, damit er mir ein Handtuch leiht!«
»Ond wo isch ’r, der Fraind?«, tobte die Frau. »Des isch doch gloga!«
Ja. Wo war Leon?
»Leon!«, brüllte ich verzweifelt.
In diesem Augenblick bog Leon um die Ecke. Zusammen mit dem Bademeister.
»Was ist denn los?«, fragten Leon und der Bademeister im Chor, wenn auch mit kleinen dialektalen Unterschieden.
»Wo warst du?«, fragte ich.
»Shampoo in der Dusche vergessen«, sagte er. »Warum?«
»Die Frau isch a Spannerin!«, keifte die Behaarte.
»Jetz amol langsam on von vorn«, sagte der Bademeister.
»Ich habe mein Handtuch daheim vergessen und wollte deshalb von meinem Freund eins leihen. Weil die Dame hier die gleichen Schuhe hat, dachte ich, es wäre die Umkleidekabine meines Freundes. Okay, es war vielleicht ein bisschen unsensibel, von unten reinzugucken, aber ich wollte sie nicht belästigen, wirklich nicht!«
»No gucked mir ons doch oifach Ihre Sandala a«, schlug der Bademeister an Leon gewandt vor.
Leon brauchte einen Augenblick, um den Satz im Kopf zu übersetzen, dann sagte er: »Klar, mein Schrank ist aber ganz woanders«, und marschierte los.
Bademeister, Putzfrau, die Haarige mit ihren Schuhen in der Hand, ich und der eine oder andere Badegast, der sich dazugesellt hatte, trabten hinterher. Leon öffnete seinen Schrank und zog seine Trekking-Sandalen heraus. Abgesehen davon, dass Leon Größe 45 und die Frau vermutlich Größe 38 hatte und die Farbe ein bisschen anders war, war es das gleiche Modell.
»Glauben Sie mir jetzt?«, fragte ich.
»No isch dr Fall ja glöst«, sagte der Bademeister. »Isch mir au lieber. On Sie hen sich ja entschuldigt, oder?«
Die Frau zog bruddelnd ab, nicht ohne der eifrig nickenden Putzfrau noch einmal ausführlich zu schildern, wie sie plötzlich zwei Monsterglubschaugen unter der Tür angestarrt hatten.
Ich blieb mit Leon allein zurück.
Er zog mich in seine Arme. »Du bist ja ganz kalt. Kaum lässt man dich einen Augenblick allein …«, murmelte er.
»Ach was«, sagte ich gekränkt. »Ich kann sehr gut auf mich aufpassen. Seit 32 Jahren passe ich sehr gut auf mich auf. Ich hab mir zweimal den Arm gebrochen und war dreimal mit einer klitzekleinen Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Aber mir ist nie was Ernsthaftes passiert.«
»Ja, das ist eigentlich ein Wunder«, sagte Leon. Er reichte mir das Handtuch. »Und zieh den Badeanzug hoch, bevor du zu deiner Umkleidekabine zurückgehst«, sagte er und grinste.
3 Hinterteil
4 Wenn Sie diesen Satz nicht verstehen, lassen Sie sich doch einfach von Ihrer netten Nachbarin weiterhelfen. Oder fragen Sie den S-Bahn-Kontrolleur. Oder Ihren Metzger. Das fördert die zwischenmenschliche Kommunikation ungemein.
6. Kapitel
Ohne Scheiß: Schoko-Eis!
Am nächsten Morgen erwachte ich von Klappergeräuschen, die aus der Küche drangen. Bestimmt würde mir Leon gleich eine Tasse Kaffee ans Bett bringen und dann wieder unter die Decke schlüpfen. Mmm ...
»Leon?«, rief ich und bemühte mich, meiner Stimme einen erotisch-lasziv-verheißungsvollen Klang zu geben. Leon tauchte im Türrahmen auf, einen Turnschuh in der Hand. Er trug einen hautengen schwarzen Joggingdress, den ich noch nie gesehen hatte, und sah ein bisschen aus wie Diana Rigg in »Mit Schirm, Charme und Melone« auf
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