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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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In der Marienstraße war die Luft zum Glück etwas besser. Als wir an der
McGöckele
-Filiale vorbeischlenderten, stiegen unangenehme Erinnerungen in mir auf, die ich sofort verdrängte. Auf der Königstraße herrschte die übliche samstägliche Einkaufsatmosphäre. Streitende Paare zogen heulende Kinder hinter sich her. Vor dem Karstadt spielte ein Mann auf dem Saxophon »Somewhere Over the Rainbow«, dazu stieß der Papagei auf seinem Kopf schrille Pfiffe aus. Die Grünflächen am Schlossplatz wurden von einem bunten Völkchen belagert, die etwas älteren Semester hielten dagegen die Bänke besetzt. In den Brunnenbecken planschten quietschende Kinder. Von irgendwoher drangen die exotischen Klänge eines Didgeridoos an mein Ohr. Ich wurde schon wieder müde.
    Vier aufgedonnerte junge Türkinnen in engen Jeans, Stilettos und bauchfreien Oberteilen näherten sich. »Ha, i glaub net, dass die Wies nass isch, ganz ährlich«, sagte die eine.
    »Leon, neben dem Kunstmuseum gibt’s Mövenpick-Eis. Warum setzen wir uns nicht einfach hier gemütlich aufs Gras?«
    Leon schüttelte den Kopf. »Hier war ich schon so oft. Du hast mir das
Pinguin
versprochen.«
    Vom Schlossplatz waren es nur ein paar Schritte durch den Park zum Fußgängerüberweg. Seit einiger Zeit ersetzte er den Steg über die Bundesstraße, der mit dem Fahrrad so praktisch gewesen war. Am Landgericht und an der Musikhochschule vorbei gelangten wir zur Eugenstraße. Die hatte ich mir auf dem Stadtplan ausgeguckt, weil sie den direktesten Weg zum
Pinguin
am Eugensplatz versprach. Seltsamerweise entpuppte sich die Straße als Staffel, deren Treppenstufen kein Ende nehmen wollten. Wenigstens bildeten die Bäume ein schattiges Dach. Trotzdem war ich völlig außer Puste, als wir beim Brunnen der Galatea ankamen.
    »Du solltest mal wieder mit zum Joggen«, grinste Leon.
    Ich verkniff mir eine Antwort. Warum musste man zu Fuß gehen, wenn direkt vor dem
Pinguin
die Stadtbahn hielt? Vor dem Eiscafé stand eine lange Schlange.
    »Was möchtest du?«, fragte Leon.
    »Eine Kugel Schokolade und eine Kugel Schokolade.«
    »Und?«
    »Wie und?«
    »Sind zwei Kugeln nicht ein bisschen wenig für dich?«
    »Doch. Ich wollte nur nicht schon wieder so verfressen wirken. Aber wenn du schon fragst, so ein kleines Kügelchen Schokolade würde prima dazu passen.« Ach, es war einfach herrlich, dass Leon so locker damit umging, dass seine Freundin ständig so viel Appetit hatte wie ein Elefant, der gerade eine Woche lang eine Mayr-Brötchen-Fastenkur gemacht hatte.
    Ich setzte mich zwischen die vielen anderen Eis schlotzenden Menschen auf die Brüstung und genoss den Panoramablick. Links sah man das Alte Schloss und die Stiftskirche, auf der rechten Seite den noch nicht zwangsamputierten Hauptbahnhof. Der plätschernde Galatea-Brunnen verlieh dem Platz eine fast mediterrane Atmosphäre. Erwartungsvoll sah ich Leon an, als er mir das Monster-Schokoeis in die Hand drückte, und wartete auf seinen Aufschrei des Entzückens angesichts der großartigen Aussicht. Leon blickte gedankenverloren hinunter auf die Stadt, leckte an seinen zwei Kugeln und schwieg. Da musste ich wohl ein bisschen nachhelfen.
    »Ich bin ja keine Lokalpatriotin, aber so im Sommer ist Stuttgart schon schön.«
    »Ja. Es ist nur so schrecklich bergig.«
    »Bergig? Hügelig vielleicht«, sagte ich und blickte auf die Höhen von Kräherwald und Killesberg. Die begehrten teuren Halbhöhenlagen, die nahtlos in die noch begehrteren unbezahlbaren Ganzhöhenlagen übergingen. »Was stört dich daran?«
    »Manchmal komme ich mir vor wie eingesperrt. Ausgebremst. Eingeengt. Weil man nicht so weit kucken kann. So wie bei uns. Und es ist immer so schwül. In Hamburch weht immer ein kühles Lüftchen. Aber das wirst du ja bald selber erleben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich fahre übernächstes Wochenende nach Hause. Meine Eltern würden sich freuen, wenn du mitkommst. Und ich natürlich auch. Blöd genug, dass ich morgen ohne dich fahre.«
    Ach du liebe Güte! Das war doch hoffentlich kein Test auf Schwiegertochtertauglichkeit? Den würde ich sowieso nicht bestehen.
    Leon sah meinen Blick. »Keine Sorge. Meine Eltern sind locker. Du bist nicht die erste Frau, die ich ihnen vorstelle.«
    Was sollte das denn nun wieder heißen? Gaben sich Leons Freundinnen und Exfreundinnen in Hamburg die Klinke in die Hand?
    »Ich komme gern mit. Ich war noch nie in Hamburg.«
    »Prima«, sagte Leon enthusiastisch. »Was würdest du denn

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