Brezeltango
dem sich ein großer Tisch, eine Couchkombination, ein Flachbildfernseher, ein Klavier und zahlreiche Grünpflanzen verteilten. Die Front zur Terrasse war komplett aus Glas.
»Tanja ist in der Küche, sie kommt gleich.«
»Sind wir die Ersten?«, fragte ich.
»Die Ersten und die Letzten«, sagte Martin und grinste.
Hatte Leon nicht von einer Party gesprochen? Vier Leute waren ja wohl kaum eine Party! Kein Wunder, dass ich Lila nicht mitbringen durfte. Das wäre ja gleich fünfzig Prozent mehr Gast gewesen!
Auf der Terrasse war ein großer Teakholztisch mit passenden Stühlen bereits sorgfältig für vier Personen gedeckt. In der Mitte des Tisches wartete eine ganze Armada von Grillsaucen, Ketchup-Flaschen und Senftuben auf ihren Einsatz. Die Terrasse grenzte an ein Gärtchen mit einem kleinen Teich und rappelkurz gestutztem Rasen, auf dem ein buntes Spielhaus und ein Trampolin standen. Die dazugehörigen Kinder waren nicht zu sehen. Dafür tobten sie in den identisch aussehenden Gärten links und rechts auf einem Trampolin. Während es links schon rauchte, schüttete der Hausherr im Garten rechts gerade Kohlen in den Grill. Beide Nachbarn (T-Shirt und olivgrüne Bermuda) quittierten unsere Ankunft mit einem Kopfnicken.
»Essen eure Kinder nicht mit?«, fragte ich und deutete auf den gedeckten Tisch.
»Die Zwillinge sind bei einer Übernachtungsparty«, sagte Martin. »Sonst könnten wir uns auch unmöglich in Ruhe unterhalten.«
Eine Frau um die dreißig trat barfuß auf die Terrasse. Sie trug ein bedrucktes T-Shirt und eine Dreiviertelhose und war im Gegensatz zu mir sorgfältig geschminkt und frisiert. Neidisch betrachtete ich ihre perfekt lackierten Zehennägel. Sie stellte einen Teller mit mariniertem Fleisch ab und ließ sich erst von Leon auf die Wange küssen, dann drückte sie mir kräftig die Hand. Dabei fiel ihr Blick auf meine Füße. Ich hatte die Wattebäuschchen zwischen meinen Zehen völlig vergessen. Mittlerweile klebten sie am Nagellack fest. Das machte sicher einen supi Eindruck.
Die Frau sah mich an, ohne eine Miene zu verziehen. »Hallole. I ben die Tanja. Schee, dass klappd hot. Bei dem tolla Weddr!«
Das schien die schwäbische Hälfte des Paars zu sein.
»Ja Martin, hosch du ihne no nex zom Drenga aboda?« Sie seufzte. »So sen die Männer hald.«
»Du trinkst sicher ein Bier?«, sagte Martin und hielt Leon fragend eine Flasche Tannenzäpfle hin.
Der nahm sie mit einem Kopfnicken entgegen und öffnete sie mit einem »Plopp«. Die beiden Männer stießen mit den Flaschen an.
»On du, Line? Radler, Apfelsaftschorle, selbergmachter Hollerblüdesirup, Wei, rot, rosé oder weiß? Oder erschd amol a Gläsle Sekt zur Begrüßong? Oder an Campari?«
»Äh, danke, vielleicht erst mal ein Apfelschorle, so auf leeren Magen«, antwortete ich und sah mich suchend nach dem Grill um.
Der war bisher nicht zu sehen. Hoffentlich wurde das nicht so ein Grillabend, an dem ich mit immer lauter knurrendem Magen erst mal drei Stunden Small Talk mit Tanja machen musste, weil die Holzkohle einfach nicht brennen wollte und die Männer am Grill stundenlang die besten Strategien diskutierten, bevor sie sich dann endlich dazu durchrangen, die Holzkohle mit Tanjas Föhn zu traktieren. Beamer oder Grill. Das war eigentlich dasselbe. Beides funktionierte in der Regel nicht und machte Männer zu Experten.
»Wir haben rote Würste mitgebracht.«
»Die nehmed er amol schee wieder mit«, sagte Tanja. »Mir hen Schweinebauch, Holzfällersteaks, Kotletts, Chicka Wings on Thiringer Wirschd. ’s gibt au Schofskäs, Gmüsspieß, Maiskolba on Kartoffla. Wir sen net sichr gwä, ob du vielleicht koi Floisch isch.«
»Das ist nett, aber ich habe kein Problem mit Fleisch«, sagte ich. Wie wenig Probleme ich mit Fleisch hatte, würde Tanja spätestens dann merken, wenn ich das dritte Holzfällersteak verputzt hatte und die Thüringer Würste nicht ablehnte.
»Wenn ihr mögt, können wir auch noch Hokkaido grillen«, sagte Martin. »Aus dem eigenen Garten. Die schmecken gegrillt super und wachsen wie Unkraut. Selbst wenn wir ein paar essen, haben wir noch welche fürs Training übrig.«
Der Hokkaidokürbis war vor einigen Jahren sehr populär geworden und hatte aufgrund seiner runden, handlichen Form mittlerweile im Fitnesstraining Einzug gehalten. Man benutzte ihn zum Jonglieren oder joggte mit je einem Kürbis in der Hand, bevor man ihn zu Kürbissuppe verarbeitete.
»Bevor wir anfangen«, sagte Martin an Leon
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