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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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riesiges metallenes Ungetüm, neben dem eine Gasflasche stand. Von wegen Holzkohlenromantik! Leon grinste mich an.
    Soweit ich mich erinnern konnte, musste man Männer für ihre Grills loben. »Das ist ja ein toller Grill«, heuchelte ich.
    »Ja«, sagte Martin stolz. »So ein Gasgrill ist sauber und muss nicht lang angeheizt werden. Im Internet bestellt. Man gibt die Anzahl der Gäste ein, die man maximal bewirten will, und der Grillfinder errechnet die benötigte Grillfläche. Ich habe zehn Personen eingegeben und ein Steak-Wurst-Verhältnis von siebzig zu dreißig. Das ergab einen dreiflammigen Grill.«
    »Bis des Floisch so weit isch, kennad mr schomol a bissle Vorspeis essa«, sagte Tanja und verteilte Salat in kleine Glasschüsselchen.
    Gespannt wartete ich darauf, wie sich die Gesichter entzückt verklärten, bevor ich selbst den Salat probierte.
    »Berapp«, machte Tanja und fing an zu husten.
    »Uäh«, sagte Leon und würgte.
    Martin sagte gar nichts, spuckte seine Salatblätter unzeremoniell wieder auf den Teller, griff sich mit einem verzweifelten Blick die Bierflasche, als sei sie ein Rettungsring, und trank sie in einem Zug aus.
    »Cayennepfeffer!«, jaulte Tanja. Tränen liefen ihr über das Gesicht. »Zimt! Viel zviel Salz on Balsamico!«
    »Chinagewürz«, ergänzte Leon sachlich. »Line, wie nennt sich dieses Dressing?« In seinen Mundwinkeln zuckte es.
    »Inspiration«, sagte ich würdevoll. Natürlich sprach ich es französisch aus. War ich als Medium wirklich so schlecht? Dann brauchte ich den Salat auch nicht zu probieren.
    »Des kosch ned amol meh onsre Karniggel gäba. Machd nex. Isch ja gnug zom Essa doo«, sagte Tanja unbekümmert und räumte ohne langes Federlesen Salat und Schüsseln vom Tisch.
    Das stimmte. Als ich einige Stunden später wieder in Leons Golf saß, hatte ich Tanja bewiesen, dass ich nicht nur kein Problem mit Fleisch oder Würstchen hatte, sondern auch mit Schafskäse, Maiskolben und Kartoffeln prima zurechtkam. Ich war kugelrund gefressen wie ein Hokkaido und ziemlich erschöpft. Tanja hatte uns eingeladen, bald wiederzukommen, um gemeinsam das vierstündige Video ihrer Hochzeit auf Schloss Solitude anzusehen.
    »Und, hast du dich in der Küche nett mit Tanja unterhalten?«, fragte Leon.
    Ich war mir nicht sicher, ob er mich auf den Arm nahm. »Klar, total nett. Und du mit Martin auch?«
    »Männer unterhalten sich nicht. Sie reden über Fußball, Bodenbeläge, Rasenmäher oder Autos. Aber sie unterhalten sich nicht. Und wie fandest du es sonst so?«
    »Nett«, sagte ich vorsichtig. »Abgesehen von dem Salatsoßendebakel.«
    »Das war das Lustigste am ganzen Abend«, sagte Leon.
    »Findest du die beiden nicht auch …« Ich räusperte mich. Schließlich war Leon mit Martin befreundet, da musste ich vorsichtig sein.
    »Was?«, fragte Leon unschuldig.
    »Sehr – etabliert?«
    »Du meinst spießig?«
    »Ja. Ich meine, sie sind wirklich total nett …«
    »Dass Martin die Radkappen seines neuen Autos mit der Zahnbürste putzt, ist vielleicht ein kleines bisschen spießig. Ansonsten mag ich keine Berufsjugendlichen wie die Stones oder Udo Lindenberg, die nicht akzeptieren wollen, dass sie älter geworden sind, und ihren wilden Zeiten hinterhertrauern, die wahrscheinlich nie so wild waren wie in der Erinnerung. Und die keine Verantwortung übernehmen wollen für Partnerschaft oder Familie.«
    »Zufällig mag ich Udo Lindenberg«, rief ich und nahm mir vor, das Wort »Familie« zu überhören.
    »Als Mann oder als Musiker?«, fragte Leon trocken.
    Wann waren Leute spießig? Wenn sie gebrauchte Streichhölzer nicht in die Schachtel zurücklegten oder neben die ungeschälten Pistazien ein Tellerchen für die Schalen stellten? Oder wenn sie im Flugzeug Tomatensaft bestellten und Tabasco reinkippten, obwohl es ihnen überhaupt nicht schmeckte und sie mit festem Boden unter den Füßen niemals Tomatensaft trinken würden? Aber waren die Kids, die in großen Herden nachts über die Theo Heuss zogen und den »Palast der Republik« belagerten, nicht genauso spießig? Auf jeden Fall hoffte ich nicht, dass Leon insgeheim von einem Reihenhäuschen in Schwieberdingen träumte, von dem aus er dann zu seinem Arbeitsplatz radeln konnte, während ich mit den Zwillingen in der Sandkiste spielte und Hokkaidos im eigenen Gärtchen züchtete, mit denen wir dann am Wochenende gemeinsam zum Walken gehen würden.
    5 Zu diesem Zeitpunkt konnte unsere Heldin noch nicht wissen, dass der Winter 2009/2010

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