Brezeltango
einer der längsten und schneereichsten seit langem werden würde.
6 In diesem Fall handelt es sich bei »Bärle« nicht um Saitenwürstchen, sondern um ein Geschwisterpaar.
7. Kapitel
Früh am Morgen wachte ich auf. Leon schnurpste leise neben mir. Es war schon hell. Um Himmels willen! Was war denn hier passiert? Leons Kleiderschrank war verschwunden. Stattdessen wurde der größte Teil des Schlafzimmers plötzlich von einem riesigen Tisch eingenommen, der mit einem feinen weißen Tischtuch bedeckt war, das bis zum Boden reichte. Der Tisch war vollkommen überladen, aber was darauf stand, konnte ich zunächst gar nicht erkennen, so sehr blitzte und glänzte es da. Cromargan, Stahl und Porzellan. Da standen Töpfe und polierte Gläser, Thermoskannen, Springformen, eine Espressomaschine und ein Raclette-Gerät. Es erinnerte ein bisschen an das »Laufende Band« mit Rudi Carrell, das guckte ich manchmal auf Nostalgie-TV, aber anstelle des Fragezeichens thronte in der Mitte des Tisches ein überdimensionales rosa Herz aus Karton, auf dem in großen Lettern geschrieben stand: »Hochzeit von Line und Leon«. In Poesiealbum-Schreibschrift, blümchenumrankt. Bevor ich noch richtig begriffen hatte, was hier vor sich ging, setzten sich die Geschirr- und Besteckteile klirrend und klappernd in Bewegung. Sie formierten sich zu einer Art Fernsehballett und begannen zu singen:
Budderdos on Zuggerdos, Dordebladde, Edaschär
,
Milchuffscheimerle mit Ständer, wenn des bloß scho älles wär!
Ufflaufform on Muffinform, Vierkantreibe, Veschberbrett
,
Kurzzeitweckerle zom Checka ond a Tisch-Kehrbäsa-Set
.
Pizzadeller, Paschdadeller, Dosaeffner, Sigomat
,
Essigsprüherle firs Dressing, der Salat isch glei parat
.
Pendelschäler, Kiwischäler, Teeservis »Superior«
,
Nochdischschissele zom Abschluss, on jetzt sengad mir em Chor:
Älles Gude fir dein Haushalt
,
ohne ons, doo kommsch net weit
,
älles Gude fir dein Haushalt
,
mir sen deine Helfersleit
.
Wenn mir noo mol nemme schee sen, des isch älles koi Problem
,
neie Pfanna gibt’s fir alte, mit dem Pfannadauschsyschdem
,
on dein Maa kosch au no brenga, wenn der dir mol nemme gfalld
,
fir zehn Eiro kriagsch an neia, au so an Maa wird halt mol alt
.
Älles Gude fir dein Haushalt
,
ohne ons doo kommsch net weit
,
älles Gude fir dein Haushalt,
mir sen deine Helfersleit
.
Plötzlich löste sich eine chromglänzende Personenwaage aus den tanzenden Reihen und begann zu improvisieren, während der Chor weitersang:
»In my homeland … yeah yeah … Baden-Wirdemberg … yeah o yeah … we are oll sidding in one boat … se pfann … se fork … se schissel … o yeah …«
Fassungslos saß ich aufrecht im Bett, beobachtete das Spektakel und lauschte dem fürchterlichen Englisch der Personenwaage. Ich rüttelte an Leon, aber Leon reagierte nicht. Es war doch unmöglich, dass jemand bei diesem Lärm schlief! Immer verzweifelter rüttelte und schüttelte ich ihn, das Geklirre und Geschepper wurde immer lauter und unerträglicher, immer schneller drehten sich Tassen und Teller im Kreis, und dann stürzte plötzlich der ganze Geschirrberg einschließlich Raclette, Heißem Stein und Fondue-Set mit lautem Getöse vom Tisch und zerbrach und zersprang in tausend kleine Teile …
Ich fuhr hoch, schweißgebadet. Ein Traum. Meine Güte, warum konnte ich nicht normal schlafen und träumen wie andere Leute? Die träumten davon, dass ihnen die Zähne ausfielen oder dass sie plötzlich nackt vor ihrem Chef standen, nicht so bescheuert wie ich.
Es schepperte tatsächlich. Leon stand in der Tür, vollständig angezogen. »Sorry, ich wollte dich eigentlich auf nettere Art wecken. Mir sind ein paar Fahrradteile runtergefallen.« Er setzte sich halb auf die Bettkante und küsste mich.
Ich zog ihn an mich und versuchte, ihn ins Bett zu bugsieren, da, wo er hingehörte.
Leon schob mich sanft, aber bestimmt von sich. »Es tut mir leid, Line, aber ich muss früher weg als gedacht. Sören hat vor einer Stunde angerufen. Er ist kurz hinter Mannheim mit seinem Touareg liegen geblieben und hat mich gefragt, ob ich ihn an der Raststätte am Hockenheimring abholen kann. Er hat zwei Bikes dabei, die kriegt er nicht mit dem Zug transportiert.«
Sören war Leons Kumpel aus Hamburg, der sich ebenfalls zum Mountainbiken angemeldet hatte, weil er den schönen Schwarzwald kennenlernen wollte. Von dem würde er mit einem sichteinschränkenden Helm auf dem Kopf vermutlich nicht viel mehr mitkriegen
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