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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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Kaffee auf, um mich für die Herausforderungen des Nachmittags zu wappnen. Strukturiert, wie ich war, beschloss ich, die Zeit nebenher sinnvoll zu nutzen und die schwarzen Socken im Wäschekorb zu sortieren. Unglaublich, wie ähnlich sich schwarze Baumwollsocken sein konnten, und gleichzeitig so verschieden! Die einen hatten ein schmales Bündchen und die anderen ein breites, ziemlich viele hatten Löcher, und ich konnte es anstellen, wie ich wollte, immer blieb eine blöde Socke übrig, die nicht zur anderen übrig gebliebenen passte. Ich fing gerade zum dritten Mal von vorn an, da klingelte das Telefon.
    »Mädle, i han dr bloß saga wella, ’s isch so arg schee, dass du jetz nemme so traurich aus dr Wäsch guggsch. Jeden Dag dank i em Herrn Jesus drfir.«
    Ich bemühte mich, nicht allzu laut zu stöhnen. »Schön, Dande Dorle, dass du mal wieder drauf hinweist, dass du Leon und mich zusammengebracht hast. Ich hätt’s sonst glatt vergessen.«
    War es nicht großartig, permanent daran erinnert zu werden, dass man sein Liebesleben nur mit der tatkräftigen Unterstützung seiner achtzigjährigen Großtante aus der Provinz zu regeln imstande war?
    »Wenn i dr Leon net zu meim Geburdsdag eiglada hätt, noo wärsch du heit no alleinschdehend«, sagte Dorle beleidigt.
    »Ich finde, der Geburtstag war so schon sensationell. Schließlich hatte niemand damit gerechnet, dass du dich an diesem Tag mit deinem 82-jährigen Freund Karle aus der Theatergruppe des Obst- und Gartenbauvereins verlobst«, stichelte ich.
    So ging das Geplänkel eine ganze Weile weiter, mit geringfügigen Abweichungen zu Dorles letztem Anruf vor drei Tagen.
    Ich war gerade wieder mitten in meinen Socken, als das Telefon erneut klingelte. Bestimmt hatte Dorle etwas total Wichtiges vergessen.
    »Mösenfechtel, Arbeitsagentur.«
    O nein! Meine Arbeitsberaterin!
    »Frau Praetorius, wir haben schon länger nichts von Ihnen gehört. Was machen Sie eigentlich so den lieben langen Tag?«
    »Gerade im Moment bereite ich mich auf ein Vorstellungsgespräch nächste Woche vor«, sagte ich und ließ blitzschnell die schwarzen Socken fallen. »Außerdem wissen Sie doch, dass ich mich permanent bewerbe und schon mehrere Vorstellungsgespräche hatte.«
    »Sie sind aber immer in der Endrunde aus dem Rennen geflogen.«
    Klar, weil meine Mitbewerberinnen blonder, vollbusiger und charmanter waren, dachte ich grimmig.
    »Es gibt im Augenblick eben wenig Jobs, wegen der Krise.«
    »Danke für den Hinweis, darauf wäre ich als Ihre Arbeitsberaterin überhaupt nicht gekommen. Sie müssen sich eben allmählich umorientieren! Wenn Sie nicht demnächst etwas in Ihrer Branche finden, schlage ich Ihnen Stellen in der Gebäudereinigung oder in der Gastronomie vor, da bringe ich Sie sofort unter, und wenn Sie nicht annehmen, kürzen wir Ihnen die Bezüge.«
    Großartige Perspektive! Ich sah mich im Geiste mit einem Gips am Bein, weil ich über den Putzeimer gestolpert war, oder hohe Reinigungsrechnungen bezahlen, weil ich beim Edelitaliener den Chianti auf dem Armani-Kostüm anstatt im Weinglas servierte.
    »Schicken Sie uns bitte umgehend eine Kopie der Einladung zu diesem Vorstellungsgespräch!« Sie legte auf, ohne sich zu verabschieden.
    Ich gab dem Wäschekorb einen wütenden Tritt.
    Nun war es aber höchste Zeit für meinen Ausflug nach Cannstatt. Da der Nachmittag nun sowieso schon halb hinüber war, beschloss ich, durch den Park zur Rosensteinbrücke zu laufen. Das war ein gemütlicher, kleiner Spaziergang und dann konnte ich dort Kurzstrecke lösen und die U13 zum Augsburger Platz nehmen. Schließlich bewegte ich mich zu wenig. Fand Leon jedenfalls, der vom AOK-Stäffeles-Walk schwärmte und nicht müde wurde, auf meine schlechte Kondition hinzuweisen, besonders, wenn er sich in seinem eng anliegenden Laufdress aufmachte, um auf dem Blauen Weg zu joggen. Meist überbrückte ich die Zeit mit Nostalgie-TV und ging eigentlich nur mit, wenn ich mal wieder ungestört auf Leons sehr ansprechenden Hintern glotzen wollte. Zum Blauen Weg hinaufzuklettern war schon Sport genug. Dort wartete ich dann auf einer Bank, bis Leon mit seinen Runden fertig war. Stuttgart war einfach zu hügelig und Entspannung gehörte schließlich auch zu einem gesunden Lebenswandel. Vielleicht konnte ich diese Woche ja noch eine heimliche Trainingseinheit einlegen? Dann würde ich nächstes Mal triumphierend an Leon vorbeiziehen und den Anblick seines offen stehenden Mundes voll auskosten.
    Leon. Ich

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