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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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würde ihm eine klitzekleine SMS schicken. Nicht zu lang, schließlich wollte ich nicht den Eindruck erwecken, ich sei emotional total abhängig von ihm. Nur so eine Denkandichdankefürdenkaffee-SMS. Leider fand ich das Handy nicht. Ich hatte es wohl in der Reinsburgstraße liegen lassen. Egal. Leon wusste auch so, was ich für ihn empfand. Ich tauschte meine Jeans gegen ein abgeschnittenes Exemplar und zog ein bauchfreies Top an. Dass ich dünn wie eine Bohnenstange war – nicht von ungefähr nannte mich mein Vater »Böhnchen« –, hatte zumindest im Sommer seine Vorteile.
    1 Beim Schwaben setzen die Füße direkt an der Hüfte an. Sich hartnäckig haltende Gerüchte, wonach der Schwabe an sich ein beinloser Watschelzwerg ist, entsprechen nicht der Wahrheit. Tatsächlich ist das Wort »Beine« dem Schwaben gänzlich unbekannt, weshalb er das Wort »Fieß« für Beine und Füße gleichermaßen benutzt. Im vorliegenden Fall meint Herr Tellerle wahrscheinlich seine Beine.

2. Kapitel
    I muss die Stroßaboh noh kriega,
denn bloß dr Femfer brengt mi hoim
.
    Ich lief über die Baumann-Staffel, kreuzte die Hackstraße und gelangte nach wenigen Minuten über den Steg in den Schlossgarten. Wie immer an schönen Tagen wimmelte es hier von Spaziergängern, Inline-Skatern und Radfahrern, die den Park mit seinem prächtigen alten Baumbestand bevölkerten. Ich ging über die Brücke Richtung Neckar. Hier war es definitiv vorbei mit der Parkidylle. Vom Pragsattel herunter schob sich die Blechlawine und teilte sich weiter Richtung Cannstatt oder B 10. Auf der anderen Straßenseite umlagerten Schulklassen und Familien die Wilhelma. Weil gerade der Dreizehner an der Rosensteinbrücke hielt, spurtete ich zur Haltestelle und entging haarscharf der Stoßstange eines hupenden Daimlers.
    Eine Hälfte des Stadtbahnwagens war komplett von einer lärmenden Schulklasse belegt, die gerade von einem Ausflug in die Wilhelma kam. Während die Jungs sehr authentisch den letzten Boxkampf von Juan Carlos Gómez nachstellten, sangen die Mädchen zur Musik aus ihren Handys inbrünstig »Poker Face« von Lady Gaga. Im hintersten Eck saß die Lehrerin und starrte angespannt zum Fenster hinaus. Alle übrigen Fahrgäste drängelten sich in der anderen Hälfte des Wagens zusammen.
    Leider war ich noch nicht in dem Alter, wo ich sagen konnte, lasst mich bitte hinsitzen, und schwanger war ich auch nicht. Ich musste mich mit einem Stehplatz neben einem Kinderwagen begnügen. Hinter dem Kinderwagen stand der Kindsvater. Er guckte immer mal wieder in den Wagen und sagte »Dutzidutzi«. Aus reiner Gewohnheit musterte ich ihn unauffällig. Meine Single-Zeit lag ja noch nicht so lange zurück. Eigentlich sah er ganz nett aus – groß, schlank, mit dem üblichen Bauchansatz, der bei Männern ab einem bestimmten Alter unvermeidlich schien, Designerbrille – aber irgendwie auch ziemlich spießig in dem grauen Anzug, der nicht so richtig zu dem Baby passte. Wahrscheinlich brachte er es widerwillig in die Kita, weil seine Frau in einer tränenreichen Auseinandersetzung damit gedroht hatte, mit Kind und Erspartem in Rio de Janeiro abzutauchen, wenn er sich nicht mehr in die Kinderbetreuung einbrachte.
    Väter mit Babys waren nicht sexy, und außerdem hatte ich ja jetzt Leon, darum schenkte ich ihm keine weitere Beachtung.
    »Augsburger Platz. Ausstieg in Fahrtrichtung rechts«, sagte eine freundliche Stimme aus dem Off. Vor einiger Zeit waren in der Stadtbahn Gott sei Dank diese hilfreichen Ansagen eingeführt worden. Früher hatten sich an den Haltestellen ja geradezu tumultartige Szenen abgespielt, wenn die Leute übereinanderfielen, weil sie nicht wussten, ob der Ausstieg rechts oder links war!
    Ich schob mich an dem Kinderwagen vorbei, um auszusteigen. Der Vater blickte erst mich und dann das Gefährt bedeutungsvoll an. Die meisten Haltestellen in Stuttgart waren mittlerweile barrierefrei, aber diese schien nicht dazuzugehören. Der Kerl kriegte offensichtlich den Mund nicht auf, um zu fragen, ob ich ihm helfen würde. Typisch Mann! Das kannte man ja. Konnten nicht nach dem Weg fragen und nicht um Hilfe bitten! Also packte ich, ohne lang zu fackeln, hinten an den Rädern an, er nahm den Schieber und wir bugsierten den Kinderwagen über die ausgeklappte U-Bahn-Treppe hinunter auf die Straße. Zum Glück war es so ein hypermodernes Teil mit leichtem Alugestell.
    Komischerweise bedankte er sich gar nicht und sah mich stattdessen schon wieder so erwartungsvoll an,

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