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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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des neuen Pizza-Express am Ostendplatz dabei, der zur Einführung mit Sonderpreisen warb. Das Mittagessen war gerettet. Seit ich bei Lila wohnte, wurde ich von ihr biologisch wertvoll mit Linsen-Haferflocken-Bratlingen, Soja-Zartletten und Steckrübentopf bekocht. Okay, es schmeckte nicht schlecht, aber mein Fast-food-Pegel litt darunter. Leider teilte nicht einmal Leon meine Begeisterung für Fertigpizza und Leberkäswecken, obwohl er doch ein Mann war und sich wie die meisten Männer den größten Teil seines bisherigen Lebens kochtechnisch auf seine Mutter verlassen hatte.
    Ich ließ in der Küche, die mit ihrem zusammengewürfelten Mobiliar, dem bunten Geschirr und den Flickenteppichen mehr als retro war, die Post neben den Wäschekorb auf den wackligen Küchentisch fallen. Zwischen der Werbung tauchte plötzlich ein Schreiben mit einem bunten Logo auf. Die Werbeagentur
Daniel Düsentrieb
mit Sitz in Bad Cannstatt schickte mir einen Brief! Nicht etwa einen großen Umschlag, dessen Format schon verriet, dass die Unterlagen zurückgeschickt wurden, oder eine Mail mit einer lapidaren Absage auf eine Online-Bewerbung, sondern einen echten Brief! Ich riss den Umschlag auf und klaubte mit zitternden Fingern eine Postkarte heraus. Auf dem Bild war ein Zauberer zu sehen, der in der einen Hand einen Zylinder und in der anderen Hand einen Zauberstab hielt, mit dem er Funken aus dem Hut sprühen ließ. Die Textseite war sehr übersichtlich. Sie bestand nur aus einem Datum und einer Uhrzeit in der nächsten Woche, einer Postadresse, einem Weblink und dem Satz: »Zaubern Sie für uns was aus dem Hut!« Yippie! Ich hatte einen Termin für ein Vorstellungsgespräch in Bad Cannstatt! Komische Gegend für eine Werbeagentur. Viel lieber würde ich wie früher im Westen arbeiten.
    Anscheinend musste ich mir etwas Lustiges für das Vorstellungsgespräch ausdenken, um mein ungeheures kreatives Potenzial unter Beweis zu stellen. Warum war man in der Werbung immer gezwungen, so originell zu sein? Und die Bewerbungshose, mein einziges schickes Teil, musste dringend in die Reinigung. Beim letzten Vorstellungsgespräch waren Kaffeeflecken draufgekommen. Zum Glück hatte ich noch ein paar Tage Zeit. Jetzt würde ich mir erst mal eine Pizza holen und dann nach Cannstatt fahren, um mir die Agentur von außen anzusehen. Sicherlich kam mir dann eine Inspiration, schließlich sollte man vor Vorstellungsgesprächen alle nur verfügbaren Infos einholen. Anschließend würde ich erst mal ein schnuckeliges kleines Brainstorming machen, ein paar erste Ideen mindmappen, die Homepage von
Düsentrieb
analysieren und daraus am nächsten Tag ein originelles Projekt entwickeln, das ich anschließend auf einer Flipchart Lila und Leon präsentieren würde. Aus dem Feedback der beiden würde ich dann das endgültige Projekt für das Vorstellungsgespräch konzipieren. Diesmal würde, ja, musste es einfach klappen.
    Heute Abend würde ich dann zur Belohnung für meine konstruktive Arbeit mit Leon ins Kino gehen. Hoffentlich hatte er im
Atelier am Bollwerk
einen der romantischen Doppelsitzer reserviert. Was war ich früher neidisch gewesen auf die Pärchen, die auf diesen Plätzen kuschelten!
    Ich marschierte über die Haußmannstraße zurück zum Ostendplatz und übte dabei schon mal das Vorstellungsgespräch. Seit es diese nahezu unsichtbaren Handys mit Knopf im Ohr gab, wurde man nicht mehr für bekloppt gehalten, wenn man Selbstgespräche führte. Der neue Pizza-Service war auf der Ostendstraße nicht weit vom Polizeirevier und wurde links und rechts von je einer der unvermeidlichen Dönerbuden flankiert. Drinnen staute sich die Hitze.
    »Einmal Pizza
Vier Jahreszeiten
und eine große Cola«, sagte ich zu dem Mann mit der weißen Mütze hinter der Theke und reichte ihm den Bon vom Werbeflyer. »Bitte gleich in Stücke schneiden.«
    Neben mir lehnte ein finsterer Typ. Seine Nase war mit einem großen Stück Verbandsmull verpflastert. Ich rückte ein bisschen ab. Hieß es nicht, alle Pizza-Betriebe in Stuttgart würden von der Mafia kontrolliert?
    Das Handy des Typs klingelte. »Ja, alles gut. Vorgeschdern Nase operiert. Ja, vorher war krumm, jetzt isch grad.«
    In Lilas Vorgärtchen stellte ich einen der klapprigen Gartenstühle auf den schmalen Streifen zwischen Rosen und Hecke und verdrückte die schon ziemlich abgekühlte Pizza in Rekordzeit. Der volle Bauch und die Sonne machten mich schläfrig und ich stellte in der Küche Wasser für einen starken

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