Brezeltango
Klamotten-Alternative für ein Vorstellungsgespräch. Falls ich in diesem Leben noch einmal eines haben würde, aber die Hoffnung starb ja schließlich zuletzt.
Zwanzig Minuten später kam ich in deutlich gehobener Stimmung in meiner neuen knallengen weißen Sommerjeans wieder aus dem Laden und lief Richtung Café. Hinter der Scheibe des »Kiesertrainings« konnte man nicht mehr ganz junge Menschen sehen, die an Maschinen rackerten, um ihre Muskeln zu stählen. Ich blieb ein paar Minuten stehen. Vielleicht gab es ja so etwas wie Konditionsübertragung? Man ließ einfach jemand anderen für sich schwitzen und musste auch nichts dafür bezahlen. Muskeln würden mir nicht schaden. Dann klappte es sicher auch mit dem Joggen besser! Ich konzentrierte mich auf einen gut aussehenden Mann, der ein bisschen aussah wie Walter Sittler und mit beiden Beinen Gewichte nach oben drückte. Der Schweiß brach mir aus. Klappte das etwa? Ich sah auf meine dünnen Beine. Leider waren die genauso muskelfrei wie vorher.
Die Terrasse des Cafés
Graf Eberhard
war gerammelt voll. Kein Wunder bei der Hitze, unter den Platanen konnte man schön im Schatten sitzen. Ein einziger Tisch direkt unter einem Baum war frei. Jetzt eine Latte macchiato! Hmm, vielleicht ein klitzekleines Banana-Split dazu, während ich wartete? Es würde mir helfen, mich für Katharinas Auftritt zu stählen. Ich wusste genau, was passieren würde, auch wenn ich meine Schwester schon lange nicht mehr außerhalb ihrer vier Wände getroffen hatte.
Die junge Frau, die auf der Terrasse bediente, stellte das Eis vor mir ab. Bananenhälften und Eis und Schlagsahne und Schokoladensoße – einfach himmlisch! Ich schob mir einen Löffel Sahne mit Schokosoße in den Mund und hielt dabei genießerisch die Augen geschlossen. Das schien meine Koordinationsfähigkeit zu beeinträchtigen, denn als ich die Augen wieder öffnete, befand sich der größte Teil der Schokosoße auf meiner weißen Jeans eine Handbreit über dem Knie. Die schöne neue Hose! Mit der Serviette versuchte ich die Soße abzutupfen. Das machte es nicht wirklich besser. Es sah jetzt ziemlich eklig aus. Platsch. Das konnte doch nicht wahr sein! Ungläubig starrte ich auf mein Hosenbein. Zur Schokosoße hatte sich ein feuchter brauner Haufen gesellt, der ganz offensichtlich aus einem Vogelhintern stammte. Der Größe nach musste es sich um einen Adler handeln. Ich warf einen wütenden Blick in das Blättergewirr direkt über mir. Dort war nichts zu hören oder zu sehen. Der Übeltäter war mucksmäuschenstill. Erst jetzt fiel mir auf, dass das Gebiet um meinen Tisch herum mit Vogelschissen in unterschiedlichen Stadien übersät war, teils frisch, teils angetrocknet. Auch meine Umhängetasche hatte schon etwas abbekommen. Die war zum Glück abwaschbar. Ich suchte nach einem Tempo-Taschentuch und wischte vorsichtig den Vogeldreck von der Hose. Widerlich!
Die Bedienung brachte die Latte.
»Hören Sie, hier wird man mit Vogelschissen bombardiert!«
»Ja«, sagte die Bedienung. »Da oben ist ein Amselnest. Das ist da schon länger. Deshalb sitzt hier auch keiner.« Schwupp, schon war sie wieder weg, ehe ich protestieren konnte.
Mittlerweile war ein paar Meter weiter ein Tischchen frei geworden. Ich hängte mir meine Tasche um und balancierte mit der einen Hand das Tellerchen mit dem Macchiato-Glas und mit der anderen Hand das Banana-Split. Platsch. Beinahe ließ ich den Teller fallen. Der nächste braune Haufen war zielsicher auf der Sahne gelandet. Entsetzt schaute ich auf das, was einmal ein ausgesprochen leckeres Eis gewesen war und sich jetzt in ein widerliches Banana-Shit verwandelt hatte. Vom Nachbartisch ertönte unterdrücktes Gekicher. Täuschte ich mich oder vernahm ich aus den Zweigen über mir ein Vogelhohngelächter? Ich ließ den Teller stehen und ging mit hoch erhobenem Kopf zum freien Tisch. Uff. Hier war alles sauber. Die Lust auf Eis war mir vergangen.
Lustlos rührte ich im Milchschaum meines Kaffees herum, als Katharina auf die Terrasse des Cafés trat. Sie trug einen schmalen Rock und ein schlichtes Top, die dunklen Haare fielen ihr offen auf die Schultern. Völlig unauffällig. Eigentlich. Schlagartig verstummten alle Gespräche. Die männlichen Gäste schnappten nach Luft, starrten ihr hinterher und blickten dann wieder zur Christophstraße, weil sie wohl erwarteten, dort irgendwelche Paparazzi, eine weiße Stretchlimousine oder den aktuellen
sexiest man alive
auftauchen zu sehen. Dass sie
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