Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
viel größer, und eine mächtige Hakennase schien seinen Kopf wie einen Wetterhahn im Wind hin und her zu bewegen. Er war mager wie eine Heuschrecke, hatte jedoch auch etwas ausgesprochen Eulenhaftes an sich.
Mann, der sieht aus wie ein Gottesanbeter, dachte George respektlos und grinste in sich hinein.
Aber gleichzeitig bemerkte George sehr wohl, wie warm und beruhigend der Händedruck des alten Vikars war, obwohl dessen Hand ein wenig zitterte. Sein Lächeln war wie ein Strahl reiner Güte, und er machte auch keinen humorlosen Eindruck.
»Bin froh, dass Sie es doch noch geschafft haben!« Er lächelte erneut und nickte zu Yulians Tragetasche. Das Baby war wach. Seine runden Augen waren ständig in Bewegung.
Der Vikar fasste ihm zärtlich unter das fette kleine Kinn und sagte: »Junger Mann, lass dir sagen, dass es immer gut ist, zur eigenen Taufe zu früh zu kommen, zur Hochzeit pünktlich und zur Beerdigung so spät wie möglich!« Dann sah er sich mit gerunzelter Stirn nach der Tür um.
Der plötzlich aufgekommene Wind hatte das Konfetti mit sich mitgenommen und sich wieder gelegt.
»Was ist hier eigentlich passiert?«, fragte der Vikar mit hochgezogenen Augenbrauen. »Das ist eigenartig. Ich hatte gedacht, ich hätte den Bolzen ganz heruntergedrückt und die Tür gesichert. Auf jeden Fall muss es ein heftiger Windstoß gewesen sein, der eine so schwere Tür wie diese zuschlägt. Vielleicht kommt ja auch ein Gewitter auf.« Ganz unten an der Tür saß ein Bolzen, der nun durch die mit der Zeit entstandene Furche in den Bodenplatten kreischte, als der Vikar der Tür einen letzten Stoß nach außen versetzte. »Na also.« Er wischte sich die Hände ab und nickte zufrieden.
Doch kein so langweiliger alter Knacker!
Alle drei hatten den gleichen Gedanken im Kopf, als er sie hereinwinkte und zum Taufbecken führte.
Der alte Pfarrer kannte Georgina schon sehr lange; er hatte sie getauft, später vermählt und war sich darüber im Klaren, dass sie nun Witwe war. Diese Kirche hatten ihre Eltern in den Jahren ihrer Ehe besucht, und vorher bereits – als Kind und als junger Mann – ihr Vater. Eine lange Einleitung war überflüssig, und so begann er umgehend.
Als George und Anne die Tragetasche absetzten und Georgina Yulian auf die Arme nahm, fing er in rituellem Tonfall an: »Ist dieses Kind bereits getauft worden oder nicht?«
»Nein.« Georgina schüttelte den Kopf.
»Liebe Gemeinde«, kam der Vikar nun richtig ins Rollen, »da nun alle Menschen in Sünde gezeugt und geboren werden …«
Sünde, dachte Georgina, als sie die Worte des alten Mannes über sich ergehen ließ. Yulian wurde nicht in Sünde gezeugt! Gegen diesen Teil des Taufgottesdienstes hatte sie sich immer gewehrt. Sünde, pah! Gezeugt in Freude und Liebe und süßester Wonne, ja – außer man will Wonne als Sünde auslegen …
Sie blickte auf Yulian hinunter, der aufmerksam den Vikar anblickte, während dieser murmelnd aus seinem Buch vorlas. Das Babygesicht zeigte einen eigenartigen Ausdruck: weder abwesend noch begeistert. Irgendwie eindringlich. Babygesichter können eine Menge ausdrücken.
»… segne ihn mit dem Heiligen Geist, dass er …«
Der Heilige Geist. Unter diesen reglosen Bäumen am Abhang der kreuzförmigen Hügel hatten sich auch Geister gerührt, allerdings keine heiligen. Eher unheilige!
Donner grollte in einiger Entfernung, und die hohen farbigen Glasfenster wurden einen Moment lang von einem Blitz hell erleuchtet, bevor dort noch tiefere Düsternis herrschte. Über dem Taufbecken war allerdings ein Licht eingeschaltet, um dem stark kurzsichtigen Vikar das Ablesen zu erleichtern. Dieser schauderte sichtlich, denn mit einem Mal schien die Temperatur deutlich abzufallen.
Der alte Mann unterbrach sich einen Augenblick lang, sah auf und blinzelte. Sein Blick wanderte von den Gesichtern der drei Erwachsenen zu dem des Babys, blieb dort einen Moment haften, dann blinzelte er wieder. Er sah die Lampe über dem Becken an und anschließend blickte er zu den Fenstern hinüber. Trotz der Kälte bildeten sich auf seiner Stirn und seiner Oberlippe Schweißtropfen.
»Ich … ich …«, stotterte er.
»Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte George besorgt. Er nahm den Vikar am Arm.
»Nur eine Erkältung.« Der alte Mann bemühte sich zu lächeln, brachte aber lediglich fertig auszusehen, als wäre ihm schlecht. Seine Lippen schienen an den Zähnen festzukleben, die offensichtlich falsch waren und schlecht saßen, und er
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