Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
zu intensive Ruhe, ein Gefühl, als zögen hier ganze Zeitalter im Rhythmus des Tickens einer großen Uhr vorüber, als beobachtete sie etwas, lauerte ihnen auf … Sie wollte so schnell wie möglich aus dem Wald heraus wieder ins Freie gelangen. Sie war sicher, dass Ilya das Gleiche spürte, den eigenartigen Geist , der hier alles beherrschte, denn er sagte nicht viel und sogar sein Atmen klang gedämpft, als sie schräg durch den Wald nach unten stiegen, die steilsten Stellen mieden und von einem schwarzen Stamm zum nächsten kletterten.
Dann hatten sie einen Fleck erreicht, wo Felsen schief aus dem vermoderten Erdboden ragten. Dahinter lag eine fast senkrecht abfallende brüchige Felsmauer, unter der sich eine ebene Fläche anschloss. Während er ihr herunterhalf, entdeckten sie unter den dunklen stillen Bäumen die Überreste menschlicher Baukunst.
Dann standen sie auf mit Flechten bewachsenen Steinplatten vor einem … einem Mausoleum? So wirkte die zum Teil eingefallene Ruine jedenfalls. Aber hier draußen?
Georgina fasste ängstlich nach Ilyas Arm. Dies konnte man sich schwerlich als heiligen Ort oder als geweihten Boden vorstellen, auch wenn man die Fantasie noch so sehr strapazierte. Hier schienen sich unsichtbare Geister zu rühren, obwohl sich die muffige Luft nicht bewegte, genauso wenig wie die Girlanden aus Spinnweben und abgestorbenem Reisig, die von den Bäumen herabhingen. Es war ein kalter Ort, doch nicht wegen der normalen Winterkälte. Die Sonne schien hier seit – seit wie vielen Jahrhunderten? – kaum noch durchgekommen zu sein. Die Grabkammer war aus dem Naturstein des Hügels erbaut und längst eingefallen. Die meisten der massiven Steinplatten des Dachs waren heruntergefallen und bildeten einen Trümmerhaufen, die Bodenfliesen waren gesprungen und durch den geduldigen Druck von Wurzeln aufgeworfen worden. Eine Steinplatte, die einst den Türsturz gebildet hatte, lehnte nun an einer Seitenwand der überwucherten Ruine. Darauf war noch ganz schwach ein Wappen zu erkennen, in der Düsternis allerdings kaum auszumachen.
Ilya, der immer von Antiquitäten jeder Art fasziniert gewesen war, kniete sich neben die große schiefe Platte und kratzte den Schmutz aus den Rillen der Inschrift. »Ja, schau mal einer an!« Seine Stimme klang gedämpft. »Was soll man denn davon halten?«
Georgina schauderte. »Gar nichts! Dies ist ein furchtbarer Ort. Komm, lass uns weitergehen!«
»Aber sieh doch – das ist eindeutig ein Wappen. Zumindest glaube ich das. Das am Grund dort ist … ein Drache? Ja, und er hat eine Tatze erhoben, siehst du? Und das darüber – ich kann es nicht richtig erkennen.«
»Weil die Sonne schon untergeht!«, rief sie. »Es wird jeden Moment dunkler.« Doch sie blickte ihm trotzdem über die Schulter. Der Drache war recht deutlich herausgearbeitet. Ein stolzes Geschöpf war da aus dem Stein gehauen worden.
»Und das darüber ist eine Fledermaus!«, bemerkte Georgina sofort. »Eine Fledermaus, die über dem Drachen fliegt.«
Ilya kratzte hastig weiteren Dreck und Flechten aus den alten Rillen, und brachte ein drittes Symbol ans Licht.
Doch plötzlich kam der schwere Deckenträger, der so fest im Boden verankert schien, ins Rutschen, weil die verfallene Wand nachgab.
Ilya stieß Georgina weg, doch er selbst verlor das Gleichgewicht. Er versuchte zurückzuspringen, doch dabei streckte er unwillkürlich ein Bein geradewegs nach vorn, sodass es direkt unter den kippenden Steinträger geriet.
Der Träger fiel, und Ilyas Schmerzensschrei vermischte sich mit dem nervenzerreißenden Knirschen, als sein Bein brach, und mit Georginas Aufschrei, als der splitternde Knochen Fleisch, Haut und Adern aufriss.
Dann verlor er – zum Glück – das Bewusstsein. Sie sprang zu ihm, um ihn von dem Steinträger zu befreien, und sah, dass sein Bein zwar gebrochen, aber nicht eingeklemmt war. Der untere Teil seines Beines kippte kraftlos zur Seite, als sie es berührte, doch es erschien ihr wie ein Wunder, dass es nicht unter dem schweren Stein begraben worden war. Dann tastete Georgina die gebrochene Stelle ab und bemerkte den gesplitterten Knochen, der aus Fleisch und Hose hervorragte, und ein Blutschwall schoss über ihre Hände und ihre Jacke.
Und das war bis zu dem Augenblick, als sie erwachte, das Letzte gewesen, was Georgina sah, fühlte oder hörte. Oder genauer, sie hatte wohl etwas gesehen, es jedoch vergessen, sobald sie auf dem Boden aufschlug. Die Erinnerung daran hatte sie
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