Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
sanft, zu Boden gleiten zu lassen.
Auch Georgina taumelte. Wie die beiden anderen hatte sie zwar nichts gesehen, gehört oder gerochen, aber sie war Yulians Mutter. Sie hatte gespürt, wie sich etwas näherte, und sie wusste hinterher mit Sicherheit, dass es da gewesen war. Nun fiel auch sie in eine tiefe Ohnmacht, und in dem gleichen Moment schlug ein Blitz in den Kirchturm ein, und eine wahre Kanonade von Donnerschlägen grollte über sie hinweg.
Dann herrschte nur noch Stille. Und das Tageslicht kehrte langsam wieder und beleuchtete die Staubkörner, die in Schleiern aus dem Dach der Kirche herabregneten.
George und Anne, bleich wie Gespenster, starrten sich mit offenen Mündern an. Und Yulian lag engelsgleich in den Armen seines Paten.
Georgina brauchte ein Jahr, um sich zu erholen. Während dieser Zeit blieb Yulian bei seinen Paten, doch als das Jahr um war, bekamen sie selbst ein Kind, um das sie sich liebevoll kümmerten.
Yulians Mutter verbrachte dieses Jahr in einem exklusiven Sanatorium. Niemand war sehr überrascht von dieser Entwicklung. Der Zusammenbruch, den sie lange genug hinausgezögert hatte, war schließlich doch mit aller Macht eingetroffen. George und Anne und einige von Georginas Freunden besuchten sie regelmäßig, aber niemand erwähnte ihr gegenüber die abgebrochene Taufe und den Tod des Vikars.
Er war wahrscheinlich einem Schlaganfall erlegen. Um die Gesundheit des alten Mannes war es ja ohnehin nicht gut bestellt gewesen. Er überlebte nur noch wenige Stunden nach seinem Zusammenbruch in der Kirche. George war mit ihm im Krankenwagen in die Klinik gefahren und an seiner Seite geblieben, als er starb. In jenen letzten Augenblicken, bevor er diese Welt für immer verließ, war der alte Mann noch einmal zu sich gekommen.
Sein Blick hatte sich auf Georges Gesicht gerichtet. In seinen schreckgeweiteten Augen spiegelten sich die Erinnerung und Unglauben.
»Es ist alles in Ordnung«, hatte George ihn beruhigen wollen, und die Hand getätschelt, die mit fiebriger Kraft seinen Unterarm umklammerte. »Entspannen Sie sich. Sie sind in besten Händen!«
»In besten Händen? Besten Händen? Mein Gott!« Der alte Mann hatte den Eindruck gemacht, wieder ganz klar zu sein. »Ich habe geträumt … ich habe geträumt … da war eine Taufe. Sie waren dabei.« Es klang fast wie eine Anschuldigung.
George lächelte. »Die Taufe hätte stattfinden sollen «, hatte er geantwortet. »Aber machen Sie sich keine Gedanken. Sie können sie nachholen, wenn Sie wieder auf den Beinen sind!«
»Es war also kein Traum?« Der alte Mann versuchte, sich aufzusetzen. »Es war Wirklichkeit!«
George und eine Krankenschwester stützten den Priester und ließen ihn sanft auf die Kissen zurücksinken, als er erneut zusammensackte. Dann fiel er buchstäblich in sich zusammen. Sein Gesicht verzerrte sich.
Die Schwester rannte aus dem Zimmer, um nach einem Arzt zu rufen. Unter Krämpfen winkte der Vikar mit einem zuckenden Finger George näher zu sich heran. Sein Gesicht veränderte fortwährend den Ausdruck. Die Haut wirkte bleiern.
George beugte sich vor und hielt sein Ohr an die Lippen des alten Mannes, um sein Flüstern verstehen zu können. »Es taufen? Nein, nein, das dürfen Sie nicht! Zuerst müssen Sie es … müssen Sie … es exorzieren! «
Und das waren die letzten Worte, die der Priester gesprochen hatte. George erwähnte sie niemandem gegenüber. Offenbar hatte der Verstand des Alten gelitten.
Eine Woche nach der misslungenen Taufe bekam Yulian viele weiße Bläschen auf der Stirnhaut. Doch sie trockneten schließlich aus und fielen in kleinen Flocken ab. Nur winzige Narben, beinahe wie Sommersprossen, blieben zurück.
FÜNFTES KAPITEL
»Er war so ein süßes kleines Ding!« Anne Lake lachte, schüttelte den Kopf, und ihr blondes Haar flatterte im Fahrtwind des halb geöffneten Autofensters. »Erinnerst du dich noch daran, als er das Jahr über bei uns war?«
Es war im Spätsommer 1977, und sie fuhren zu Georgina, um eine Woche mit ihr und Yulian zu verbringen. Sie hatten die beiden zuletzt vor zwei Jahren gesehen. Auf George hatte der Junge einen eigenartigen Eindruck gemacht, was er auch bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt hatte – natürlich nicht Georgina und schon gar nicht Yulian selbst gegenüber, aber mit Anne allein hatte er darüber gesprochen. Deshalb äußerte er sich jetzt auch wieder kritisch.
»Ein süßes kleines Ding?« Er zog eine Augenbraue hoch. »So könnte man es
Weitere Kostenlose Bücher