Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Schreien. Sein Gesicht quoll auf und färbte sich ein wenig blau, was normalerweise bedeutete, dass Frust und Zorn in der kleinen Persönlichkeit brodelten.
Georgina konnte einen ausgedehnten Seufzer der Erleichterung nicht unterdrücken. Yulian war doch schließlich nichts anderes als ein hilfloses Baby!
»… wurde gekreuzigt, starb und wurde begraben, fuhr hinab zur Hölle und ist am dritten Tage wieder auferstanden …«
Nur ein Baby, dachte Georgina, von Ilyas Blut und meinem und … und?
Es war stockdunkel in der Kirche. Das Gewitter befand sich geradewegs über ihnen.
»… und das ewige Leben nach dem Tode?«
Georgina zuckte zusammen, als George und Anne im Chor antworteten: »All dies glauben wir von ganzem Herzen.«
»Wird er also in diesem Glauben getauft werden?«
Wieder George und Anne: »Das ist sein Wunsch.«
Doch Yulian widersprach! Er fing lauthals zu schreien an, strampelte mit einer erstaunlichen Kraft, sodass seine Mutter ihn kaum festhalten konnte. Der alte Pfarrer spürte, wie sich Unheil zusammenbraute – nicht das große Unheil, aber immerhin –, und entschloss sich, die Prozedur abzukürzen. Er nahm Georgina das Baby ab. Yulians weißes Taufmäntelchen schimmerte im Dämmerlicht, das Baby selbst war ein pulsierender rosa Fleck.
Über das Schreien des Kindes hinweg sagte der alte Vikar zu George und Anne: »So gebt diesem Kind einen Namen.«
»Yulian«, antworteten beide wie aus einem Mund.
»Yulian.« Er nickte. »So taufe ich dich im Namen des …« Er brach ab und starrte das Kind an. Seine rechte Hand hatte er automatisch in das Becken getaucht und damit etwas Weihwasser herausgenommen. Wasser tropfte von seinen Fingern.
Yulian schrie weiter.
Anne und George nahmen lediglich sein Weinen wahr, nicht mehr. Jetzt, da sie das Kind nicht mehr hielt, fühlte Georgina sich mit einem Mal wie befreit, unbelastet, als hätte sie mit all dem nichts zu tun. Sie war nur eine Beobachterin. Sollte der Priester sein eigenes Ritual ausbaden! Auch sie nahm nur Yulians Schreien wahr – doch sie spürte, wie sich etwas Außergewöhnliches, etwas Enormes näherte.
Für den Vikar hatte sich das Schreien des Kindes verändert. Es war kein Kind mehr, sondern ein Tier.
Der Pfarrer öffnete verblüfft den Mund. Blinzelnd blickte er auf. Da waren die unsicher lächelnden Gesichter von George und Anne, und da stand Georgina, die ein wenig blass und verloren wirkte.
Und dann blickte er wieder Yulian an.
Das Baby knurrte nun wie ein zorniges Tier! Das Schreien war nur Tarnung gewesen, wie ein Parfüm, das den Gestank von Stallmist überdeckt. Unter allem lag das tiefe angsteinflößende Grollen des reinen Schreckens.
Ohne nachzudenken, spritzte der alte Mann mit zitternder Hand – wie ein Blatt im Sturm – ein wenig Weihwasser auf die fiebrige Stirn des Babys und malte mit der Fingerspitze ein Kreuz darauf. Es war, als hätte er statt Wasser Säure verwendet!
NEIN!, widersprach das donnernde Grollen einer geisterhaften Stimme. MALE MIR KEIN KREUZ AUF, DU VERRÄTERISCHER CHRISTENHUND!
»Was …« Der Vikar fürchtete, er sei übergeschnappt. Er riss seine Augen hinter den dicken Brillengläsern weit auf.
Die anderen hörten nichts außer dem Schreien des Babys – das nun augenblicklich abbrach.
Der alte Mann und das Kind starrten sich in dieser betäubenden Stille gegenseitig an. »Was?«, fragte der Vikar nochmals, diesmal im Flüsterton. Vor seinen Augen schwoll die Stirn des Kindes an zwei Stellen an. Wie kleine Vulkane kurz vor dem Ausbruch, so wirkten diese Erhebungen. Die feine Haut brach auf, und stumpfe Bockshörner schoben sich heraus, krümmten sich, während sie länger wurden. Yulians Kiefer verlängerten sich zu einer Hundeschnauze, die sich öffnete und eine rote Höhle enthüllte, in der messerscharfe Zähne aufblitzten und die gespaltene Zunge einer Viper zuckte. Der Atem des Dings stank fürchterlich, wie ein offenes uraltes Grab. Der Blick aus den schwefelgelben Augen brannte wie Feuer auf dem Gesicht des Vikars.
»Jesus!«, stöhnte der alte Mann. »Oh, mein Gott, was bist du?« Und er ließ das Kind fallen. Oder zumindest hätte er es fallen lassen, hätte nicht George bemerkt, wie seine Augen glasig wurden und der Körper erschlaffte, wie das Blut rasch aus dem Gesicht des alten Mannes wich. Der Vikar brach zusammen, George trat vor und fing Yulian auf.
Anne, die ebenfalls schnell reagiert hatte, fing den alten Mann ab und brachte es fertig, ihn, wenn auch nicht gerade
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