Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
entschuldigte sich sofort überschwänglich. »Es tut mir wirklich leid, aber das ist nichts Außergewöhnliches. Es zieht hier ziemlich stark, müssen Sie wissen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich lasse Sie nicht im Stich. Wir werden das nun beenden. Es hat mich nur so schnell überkommen, das ist alles.« Das kränkliche Lächeln verschwand aus seiner Miene.
»Nach dieser Taufe sollten Sie den Rest des Wochenendes im Bett verbringen!«, mahnte Anne.
»Das werde ich wahrscheinlich auch, meine Liebe.« Damit vertiefte sich der Vikar wieder in seinen Text.
Georgina sagte gar nichts. Sie spürte etwas Fremdartiges, Unerwünschtes. Irgendetwas Irreales war da … Konnten Kirchen die Stirn runzeln oder finster dreinblicken? Diese hier tat es. Sie war seit ihrer Ankunft bereits feindselig gewesen. Deshalb fühlte sich auch der Vikar nicht wohl in seiner Haut: Er spürte es, wusste aber nicht, woran es lag.
Woher weiß ich eigentlich, was es ist?, fragte sich Georgina. Habe ich so etwas schon früher wahrgenommen?
»… sie brachten die jungen Kinder zu Christus, damit er sie berühre …«
Georgina fühlte, wie die Kirche ächzte und versuchte, sie loszuwerden. Oder, nein, nicht sie selbst … Yulian?
Sie sah ihr Baby an. Es erwiderte ihren Blick. Der Kleine hatte einen Zug um den Mund, als lächelte er, aber es war kein echtes Lächeln. Die Augen blickten aufmerksam und hellwach drein. Sie bemerkte, wie sich seine Augäpfel zur Seite drehten und auf den alten Vikar richteten. Daran war nun wirklich nichts Besonderes. Es war nur … der Blick wirkte so zielbewusst.
Yulian ist ein normales Kind! Georgina wehrte sich gegen die Gedanken, die in ihr aufkamen. Sie hatte dieses Gefühl schon früher empfunden. Er ist ein normales Baby! Es lag an ihr, nicht an ihrem Kind. Sie machte Yulian für Ilyas Tod verantwortlich. Das war die einzige mögliche Erklärung.
Sie sah zu Anne und George hinüber, und beide lächelten sie beruhigend an. Spürten sie diese Kälte nicht, diese eigenartige Stimmung? Die beiden glaubten offenbar, sie sei des Vikars und der Taufe wegen besorgt. Darüber hinaus fühlten sie wohl nichts. Höchstens, wie zugig es hier war.
Georgina empfand mehr als nur die Kälte. Genau wie der Vikar. Er übersprang jetzt ganze Zeilen seines Textes, leierte alles beinahe mechanisch herunter, wirkte wenig menschlich – wie ein hagerer Roboter-Pinguin. Er vermied es, irgendjemanden direkt anzusehen, vor allem Yulian. Vielleicht spürte er den unverwandten Blick des Babys auf sich ruhen.
»Liebe Taufpaten«, wandte er sich mit seinem Singsang nun Anne und George zu, »Ihr habt dieses Kind hierhergebracht, um es taufen zu lassen …«
Ich muss ihn aufhalten! Georginas Gedanken wirbelten immer wilder durcheinander. Sie geriet in Panik. Muss einfach, bevor – bevor was? – passiert!
»… ihn von seinen Sünden zu erlösen, zu heiligen …«
Draußen – nun viel näher – grollte der Donner wieder, begleitet von einem Blitz, der erneut die Fenster an der Westseite grell erleuchtete und kaleidoskopartige bunte Reflexe an die gegenüberliegenden Wände zauberte.
Die Gruppe am Taufbecken wurde erst golden, dann grün und schließlich rot beleuchtet. Yulian lag wie mit Blut übergossen in Georginas Armen, und selbst seine Augen, die noch immer den Vikar anstarrten, waren wie in Blut getaucht.
Im hinteren Teil der Kirche, unter der Kanzel, hatte fast unbemerkt die ganze Zeit über ein trübsinniger Mann den Boden gefegt. Aus einem unerfindlichen Grund warf er nun plötzlich den Besen weg, riss sich die schwarze Schürze vom Leib und rannte aus der Kirche. Dabei knurrte er zornig etwas in sich hinein, was jedoch keiner der anderen verstand. Ein weiterer Blitz färbte ihn blau, grün und schließlich weiß wie eine noch nicht entwickelte Fotografie, als er die Tür erreichte und außer Sicht eilte.
»Seltsam!« Der Vikar, der sich anscheinend wieder etwas gefangen hatte, sah ihm mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher. »Er reinigt die Kirche, weil er ›ein Gefühl dafür‹ hat. Jedenfalls hat er mir das erzählt.«
»Äh, können wir … weitermachen?« George hatte offenbar die Nase von den Unterbrechungen voll.
»Selbstverständlich, selbstverständlich«, murmelte der alte Mann, blickte auf seine Bibel herab und übersprang schon wieder mehrere Zeilen. »… dass er dem Teufel und all seinen Versuchungen widersteht und …«
Yulian hatte auch genug davon. Er begann zu strampeln und holte Luft zum
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