Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Sonne. Und außerdem lese ich gerade.«
»Mit dir kann man überhaupt keinen Spaß haben!«, maulte sie und zog dabei einen Schmollmund. »Liegt eigentlich immer noch Stroh oben auf dem Heuboden der Scheune?«
»Heuboden?« Yulian blickte überrascht drein. Sein langes und recht hübsches Gesicht hob sich blass von der mit dunklem Samt überzogenen Couch ab. »Ich war schon jahrelang nicht mehr da oben.«
»Was liest du denn da überhaupt?« Sie hatte sich neben ihn gesetzt und griff nach dem Buch, das er mit seinen langen zarten Fingern hielt.
Er zog das Buch sofort zurück. »Nichts für kleine Mädchen«, sagte er, ohne das Gesicht zu verziehen.
Frustriert schüttelte sie den Kopf, dass die Haare nur so flogen, und blickte sich in dem Raum um. Er war wirklich groß, in der Mitte abgeteilt und wirkte wie eine öffentliche Bücherei: Regale vom Boden bis unter die Decke und Nischen mit unzähligen weiteren Büchern an sämtlichen Wänden. Es roch nach muffigen alten Büchern. Nein, es stank schon danach, sodass man die Luft anhalten musste, um nicht Worte und Druckerschwärze und Leim und Papier einzuatmen.
In einer Ecke stand ein Regalschrank, dessen Tür geöffnet war. Spuren auf dem Teppichboden zeigten deutlich, wo Yulian oftmals eine Trittleiter vor die gleiche Stelle im Regal gezogen hatte. Die Bücher ganz oben waren fast im Dunkel des spinnwebenbehangenen Schranks verborgen. Im Gegensatz zu den sauberen Bücherreihen auf den unteren Regalbrettern lagen sie in unordentlichen Stapeln übereinander, als hätte er sie öfter herausgezogen und sich nicht die Mühe gemacht, sie wieder ordentlich hineinzustellen.
»Ach?« Sie war aufgestanden. »Ich bin also ein kleines Mädchen? Und was bist du dann? Wir sind nur ein Jahr auseinander, weißt du?« Sie war zu der Trittleiter hinübergegangen und stieg hinauf.
Yulians Adamsapfel hüpfte. Er legte sein Buch weg und sprang auf. »Das lässt du bleiben!«, verlangte er ganz kühl, als er vor der Leiter stand.
Sie beachtete ihn nicht, sah sich die Buchrücken an und las die Titel laut vor: »Coates, Menschlicher Magnetismus oder Wie man Menschen hypnotisiert . Was? So’n Quatsch! Lykan … wie heißt das? Lykanthropie. Hä? Und – Der erotische Beardsley! « Sie klatschte entzückt in die Hände. »Schmutzige Bilder, was, Yulian?« Sie nahm das Buch aus dem Regal und öffnete es. »Oh!«, sagte sie, bereits ein wenig leiser. Die Schwarz-Weiß-Zeichnung auf der Seite, die sie aufgeschlagen hatte, war eher tierisch als erotisch.
»Leg das weg!«, zischte Yulian von unten her. Helen legte den Beardsley wieder ins Regal und las weitere Titel vor: » Vampirismus – igitt! Sexualität bei Nymphomanie und Satyriasis. Parasitäre Wesen? Was für eine Auswahl! Und überhaupt nicht verstaubt, diese alten Bücher. Liest du viel darin, Yulian?«
Er rüttelte an der Leiter und sagte: »Komm jetzt runter!« Seine Stimme war leise und beinahe drohend. Sie klang kehliger und tiefer, als Helen sie jemals gehört hatte. Fast schon die Stimme eines Erwachsenen – gar nicht mehr jugendlich. Dann sah sie ihn an.
Yulian stand dort unten, das Gesicht ihr zugewandt – auf Höhe ihrer Knie.
Seine Augen waren wie Löcher in einem Gesicht aus Papier. Die Pupillen glänzten schwarz. Sie bemühte sich, seinen Blick aufzufangen, doch er mied den Augenkontakt.
»Also, ich glaube beinahe«, sagte sie provokativ, »du hast eine ziemlich schmutzige Fantasie, Yulian! Diese ganzen Bücher und auch sonst …« Sie hatte ihr kürzestes Kleid angezogen, weil es so heiß war, und jetzt war sie froh darüber.
Er blickte zur Seite, fasste sich an die Stirn und wandte sich ab.
»Du … du wolltest die Scheune sehen?« Seine Stimme klang wieder sanft.
»Können wir?« Sie war im Nu wieder unten. »Ich mag alte Scheunen! Aber deine Mutter hat gesagt, sie ist nicht sehr stabil.«
»Ich glaube, sie ist stabil genug«, antwortete er. »Georgina ist ziemlich ängstlich.« Er hatte seine Mutter mit Georgina angeredet, seit er ein kleiner Junge war. Sie hatte wohl nichts dagegen.
Sie gingen durch das weitläufige alte Haus zum Vordereingang. Yulian entschuldigte sich einen Moment lang, um in sein Zimmer zu huschen. Als er wieder auftauchte, trug er eine Sonnenbrille und einen weichen Hut mit breiter Krempe. »Jetzt siehst du aus wie ein bleicher mexikanischer Bandit«, kommentierte Helen und ging voran.
Der schwarze Schäferhund-Welpe wackelte hinterher, als sie zur Scheune liefen. Diese war
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