Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
die sich an entlegenen Orten verbergen und plötzlich auf Bauern oder kleine Kinder losgehen, um sie zu erschrecken. Manchmal sind sie auch gefährlich: Mörder, Vampire, die nachts Blut saugen und schwören, es verleihe ihnen Kraft. ›Wieszy‹ nennen die russischen Bauern so einen, ›Obur‹ sagen die Bulgaren, und in Griechenland heißen sie ›Wrykoulakas‹. Nur Geisteskranke bezeichnen sich selbst so. Etwas haben sie gemeinsam, gleich in welchem Land und in welcher Sprache: Sie sind Lügner und Verrückte!«
»Ihr glaubt nicht daran? Ihr habt mich gesehen, kennt die Wölfe, die ich beherrsche, die Angst, die ich in den Herzen des Wlad und seiner Priester auslöse, aber Ihr glaubt nicht daran!«
»Ich habe es bereits gesagt, und ich sage es Euch erneut«, beharrte Thibor und riss ein letztes Mal frustriert an seinen Ketten, »die Männer, die ich getötet habe, sind allesamt tot geblieben. Nein, ich glaube nicht daran.«
Der Ferenczy betrachtete seinen Gefangenen mit glühenden Augen. »Das ist der Unterschied zwischen uns beiden«, sagte er. »Denn die Männer, die ich töte, falls es mir beliebt, sie auf eine gewisse Weise zu töten, bleiben nicht tot. Sie werden zu Untoten.«
Er stand auf und trat mit einer flüssigen Bewegung zu ihm heran. Seine Oberlippe zog sich auf einer Seite hoch und legte einen gekrümmten Fangzahn bloß, der wie der nadelspitze Reißzahn eines Raubtieres aussah. Thibor blickte zur Seite, mied den Atem des Mannes, der roch, als wäre er vergiftet. Und mit einem Mal fühlte sich der Wallache schwach, hungrig und durstig. Er war sicher, eine ganze Woche lang durchschlafen zu können.
»Wie lange bin ich schon hier?«, fragte er.
»Vier Tage.« Der Ferenczy begann, unruhig hin und her zu gehen. »Vor vier Nächten seid Ihr den schmalen Weg emporgeschritten. Eure Freunde hatten Pech, wie Ihr euch noch erinnern solltet. Ich habe Euch zu essen gegeben, dazu Wein, doch leider war Euch mein Wein ein wenig zu stark. Dann, während Ihr – äh – geruht habt, haben mich meine Geschöpfe zu den Abgestürzten geführt. Der treue alte Arvos! Seine Knochen waren gebrochen, doch er war noch am Leben. Genau wie Euer kräftiger wallachischer Kamerad, dessen Knochen an scharfkantigen Felsen zersplitterten. Meine Kinder wollten sie haben, doch ich hatte noch Verwendung für sie und ließ sie hierherschleifen. Der hier überlebte …« Er stieß den stämmigen Wallachen mit einer Stiefelspitze an. »Er war auf Arvos gefallen! Es war mir klar, dass er sich nicht bis zum Morgen halten würde, und ich brauchte ihn, um Euch etwas zu beweisen. Und so habe ich ihn, wie es in jenem ›Mythos‹, jener ›Legende‹ heißt, ausgesaugt. Ich trank sein Blut und gab ihm dafür etwas zurück, einen Teil von mir. So starb er. Drei Tage und drei Nächte vergingen, während mein Geschenk in ihm arbeitete und eine gewisse Verschmelzung stattfand. Und eine Heilung. Seine zerbrochenen Knochen wachsen nun wieder zusammen. Bald wird er sich als einer der Wamphyri wieder erheben, als einer der wenigen Auserwählten, wenn auch unter meinem Einfluss stehend. Er ist untot.« Der Ferenczy hielt inne.
»Wahnsinniger!«, beschuldigte Thibor ihn erneut, wenn auch nicht ganz so überzeugt wie zuvor. Denn der Ferenczy hatte dies alles so selbstverständlich von sich gegeben, ohne falschen Unterton. Er konnte nicht das sein, was er zu sein vorgab – nein, auf keinen Fall –, doch er glaubte offenbar fest daran. Der Ferenczy, ob er nun Thibors erneute Schmähung wahrgenommen hatte oder nicht, beachtete ihn nicht. »Als verunstaltet habt Ihr mich bezeichnet. Meintet Ihr damit ›unnatürlich‹? Das würde bedeuten, dass Ihr selbst etwas von der Natur versteht, ja? Versteht Ihr das Leben, die Natur des Wachstums?«
»Meine Vorfahren waren Bauern, ja«, brummte Thibor. »Ich habe gesehen, wie die Dinge wachsen und gedeihen.«
»Gut! Dann wisst Ihr auch, dass es gewisse Prinzipien dabei gibt, die manchmal unlogisch erscheinen. Lasst mich Euch prüfen. Was würdet Ihr sagen: Wenn ein Mann einen Baum besitzt, an dem seine Lieblingsäpfel wachsen, und er fürchtet, der Baum könne eingehen, wie kann er ihn dann fortpflanzen und den Geschmack der Früchte erhalten?«
»Ein Rätsel?«
»Bitte geht doch auf meinen Wunsch ein!«
Thibor zuckte die Achseln. »Es gibt zwei Möglichkeiten: durch Aussaat und durch Beschneiden. Pflanzt einen Apfel ein, und ein neuer Baum wird daraus wachsen. Wollt Ihr aber den wahren, ursprünglichen
Weitere Kostenlose Bücher