Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Geschmack erhalten, dann beschneidet den Baum und zieht den Steckling auf. Es ist doch offensichtlich: Was sind Stecklinge denn sonst, als die Fortsetzung des Lebens des ursprünglichen Baumes?«
»Offensichtlich?« Der Ferenczy zog die Augenbrauen hoch. »Vielleicht für Euch. Aber mir erscheint es offensichtlich, genau wie den meisten Menschen, wenn sie nicht gerade Bauern sind, dass der wahre Geschmack aus dem Samen stammt. Denn was ist der Samen sonst, als das Ei des Baumes? Aber Ihr habt schon recht, der echte Geschmack bleibt in dem Steckling erhalten. Der Baum, der aus dem Samen gezogen wurde, entstand ja auch durch die Pollen eines anderen Baumes! Wie könnte also die Frucht die gleiche sein? Offensichtlich für jemanden, der Bäume besitzt.«
»Wo soll das alles hinführen?« Thibor war sich des Ferenczys Wahnsinn sicherer als je zuvor.
»Bei den Wamphyri«, sagte der Burgherr, wobei er Thibor direkt in die Augen sah, »benötigt die Natur kein Eingreifen eines anderen, keine Pollen, keine Befruchtung. Selbst der Baum braucht einen Partner, um sich fortzupflanzen, doch für die Wamphyri trifft das nicht zu. Alles, was wir benötigen, ist ein … Wirt.«
»Ein Wirt?«, fragte Thibor verständnislos zurück, während ein Krampf seine Beine durchschüttelte. Es lag bestimmt an den feuchten Wänden seiner Zelle.
»Nun sagt mir«, fuhr Faethor fort, »was Ihr über den Fischfang wisst.«
»Was? Fischfang? Ich war ein Bauernsohn und bin nun ein Krieger. Was sollte ich vom Fischen verstehen?«
Faethor sprach weiter und ignorierte Thibors Frage: »Die Bulgaren und die Türken fingen im Griechischen Meer immer schon Fische. Doch jahrelang litten sie unter einer wahren Flut von Seesternen. Die Tiere kamen in solchen Mengen an die Meeresoberfläche, dass man keine Fische mehr fangen konnte und ihr großes Gewicht sogar die Netze zerriss. Und die Fischer? Sie reagierten, indem sie jeden eingeholten Seestern aufschnitten und ins Meer zurückwarfen, den Fischen zum Fraß. Jedoch fressen Fische keine Seesterne! Und was noch schlimmer war: Aus jedem Teilstück eines Seesterns wächst ein neuer! Und so gab es jedes Jahr mehr von ihnen. Dann dämmerte einigen klugen Fischern die Wahrheit, und sie begannen, den unerwünschten Fang zu behalten, an Land zu bringen, dort zu verbrennen und die Asche in den Olivenhainen zu verstreuen. Und siehe da, die Seesterne wurden immer weniger, die Fische kehrten zurück und die Oliven wurden schwarz und saftig.«
Thibors Schulter begann, nervös zu zucken, zweifellos eine Folge der Anstrengung, da er bereits so lange an den Ketten hing. »Jetzt verratet mir aber, was Seesterne mit Euch und mir zu tun haben!«
»Mit Euch nichts, oder noch nicht. Aber was die Wamphyri betrifft … nun, die Natur hat uns die gleiche Eigenschaft geschenkt. Wie könntet Ihr einen Feind niederstrecken, wenn für jedes Glied, das Ihr ihm abhackt, ein neues nachwächst?« Faethor grinste, und seine Zähne wirkten dabei wie ein Gitter aus spitzen gelben Knochen. »Und wie könnte ein bloßer Mensch einen Vampir töten? Jetzt seht Ihr, warum ich Euch so mag, mein Sohn. Denn wer außer einem Helden käme hier herauf, um den Unzerstörbaren zu vernichten?«
Thibor erinnerte sich an die Worte eines gewissen Mannes am Hof des Wlad in Kiew: Sie rammen Pfähle durch ihre Herzen und schneiden ihre Köpfe ab … Noch besser, wenn sie alles in kleine Stücke zerreißen und diese verbrennen … Selbst ein noch so kleiner Teil eines Vampirs kann im Körper eines unvorsichtigen Mannes wieder heranwachsen … wie ein Blutegel, aber innen drin!
»Im Waldboden«, unterbrach Faethor seine morbiden Erinnerungen, »wachsen viele Ranken. Sie suchen das Licht und erklettern große Bäume, um die frische freie Luft zu erreichen. Einige dumme Ranken, wenn man so sagen will, wachsen so dicht, dass sie am Ende ihre Bäume töten. Wenn diese dann umstürzen, zerstören sie auch die Ranken. Das habt Ihr auch schon beobachtet, da bin ich sicher. Aber andere nutzen lediglich die mächtigen Stämme ihrer Wirtsbäume, teilen Erde und Licht mit ihnen, und sie leben gemeinsam bis an ihr Ende. Tatsächlich gibt es Ranken, die für das Wachstum ihrer Wirtsbäume sogar förderlich sind. Ach! Doch dann kommt eine Dürre. Die Bäume verdorren, färben sich schwarz, stürzen, und der Wald ist zerstört. Doch drunten in der fruchtbaren Erde leben die Rankenpflanzen weiter und warten. Ja, und wenn fünfzig oder hundert Jahre später neue Bäume
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