Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Sicher, das hatten sie dem Verlust seines »Onkels« zugeschrieben, der ihn sehr getroffen hatte!
Sie ahnten schließlich nicht, dass der Gesuchte sich gleich unter ihren Füßen befand, unten im Keller vor sich hin jammerte und bibberte. Und wenn schon, was hätten sie tun können? Es war ja wohl nicht Yulians Schuld, wenn George nicht still liegen konnte!
Und das war ein weiterer Teil der Legenden, die sich als wahr erwiesen hatten. Tötete ein Vampir sein Opfer auf eine besondere Weise, dann kehrte dieses Opfer als Untoter zurück. Drei Nächte lang hatte George im Grab gelegen, und in der vierten Nacht hatte er sich mit Klauen und Zähnen daraus befreit. Ein bloßer Mensch hätte das niemals zuwege gebracht, doch der Vampir in ihm hatte George die Kraft dazu verliehen, und noch einiges darüber hinaus. Der Vampir, der ursprünglich ein Teil jenes Anderen gewesen war und eine seiner Pseudohände in Georges Körper gesteckt und sein Herz zum Stillstand gebracht hatte. Dieser Andere, der wiederum ein Teil Yulians gewesen war, genauer gesagt, Yulians Zahn.
Welch abgerissenen und blutigen Anblick Onkel George geboten hatte, als ihm Yulian in jener Nacht die Tür öffnete! Und wie sein irrsinniges Schreien und Schluchzen durch das große Haus gehallt war, bis Yulian zornig wurde und ihn in den Keller sperrte! Und dort hielt er ihn noch immer.
Yulians Blick folgte dem silbernen Mondstrahl, der sich durch eine Lücke in der Jalousie gestohlen hatte. Das lenkte ihn ab, und so musste er sich erst wieder sammeln. Woran hatte er gerade gedacht? Ach ja, an die Polizei.
Sie waren gekommen, um von einem schockierenden Verbrechen zu berichten, der illegalen Öffnung von George Lakes Grab durch Unbekannte und dem Diebstahl seiner Leiche. Ob Mrs Lake noch immer im Harkley House wohne, hatten sie wissen wollen.
Ja, natürlich, aber sie litt noch immer unter dem Schock durch den Tod ihres Mannes. Es war nicht unbedingt notwendig, dass sie mit ihr sprachen. Yulian würde ihr lieber die Nachricht selbst schonend beibringen. Doch wer konnte für ein solch abscheuliches Verbrechen verantwortlich sein?
»Also, Sir, wir glauben, dass es möglicherweise mit einem dieser Kulte zusammenhängt, Leute, die Gräber schänden und Schwarze Messen abhalten. Druiden oder so was. Teufelsanbeter, verstehen Sie? Aber diesmal sind sie zu weit gegangen. Machen Sie sich keine Sorgen, Sir, wir werden sie schon kriegen. Bringen Sie es Mrs Lake bitte schonend bei, ja?«
»Aber selbstverständlich. Und vielen Dank, dass Sie uns die Nachricht überbracht haben, so schrecklich sie auch ist! Ich beneide Sie bestimmt nicht um Ihre Arbeit!«
»Was sein muss, muss sein, Sir. Tut uns leid, dass wir nichts Besseres mitzuteilen hatten. Gute Nacht noch …«
Das war’s gewesen.
Wieder war er vom Thema abgekommen, und erneut sammelte er sich, um weiter über jene Vampir-Legenden nachzusinnen. Spiegel: Vampire hassen Spiegel, weil sie sich darin nicht reflektieren. Unsinn – und doch auf gewisse Weise auch wahr. Yulian hatte sehr wohl ein Spiegelbild, doch wenn er manchmal, besonders bei Nacht, seine Spiegelung betrachtete, sah er viel mehr, als andere zu sehen in der Lage waren. Denn ihm war bewusst, was er da sah: etwas Nichtmenschliches. Und er hatte sich gefragt, ob andere, wenn sie sein Spiegelbild sahen, dann auch sein wirkliches Ich erkennen würden, das Ungeheuer hinter dem Mann?
Und dann schließlich die Gelüste des Vampirs, der unersättlich Frauen gebrauchte, um seine Lust zu stillen. Yulian hatte durchaus Frauenblut – und mehr als nur das – genossen, und er verglich es mit schwerem roten Wein. Es erregte ihn so wie alles Blut, doch nicht in dem Maße, dass es ihn in einen Blutrausch versetzt hätte. Georgina, Anne, Helen – ihrer aller Blut hatte er genossen. Und ganz bestimmt würde er in Zukunft noch das Blut vieler anderer probieren.
Seine eigene Haltung Blut gegenüber verblüffte ihn jedoch. Wäre er ein echter Vampir, müsste doch Blut sein ganzes Leben dominieren. Aber das war nicht der Fall! Möglich, dass seine Verwandlung noch nicht abgeschlossen war. Vielleicht würde erst mit der Zeit alles Menschliche in ihm absterben und verschwinden. Dann wäre er ein vollwertiger Vampir. Oder sagte man: ein vollblütiger?
Begierde? Ja, aber es war mehr als nur die Gier nach Blut. Viel mehr. Kein Wunder, wenn sich die Frauen in den Erzählungen dem Vampir so bereitwillig hingaben. Besonders nach dem ersten Mal. Ha! Welche Frau hatte sich
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